Minister nur mit Berufsabschluss? - Eine Erwiderung

Steffen Dittes
Landtag

„Die CDU will mit einem Gesetzentwurf schärfere Regeln für neue Thüringer Minister einführen. Diese sollen vor der Ernennung künftig ein Studium oder einen Berufsabschluss sowie Berufserfahrung vorweisen“, schreibt etwa der MDR zu einer Initiative, mit der erreicht werden soll, „dass nur Personen mit einer entsprechenden Qualifikation und Kompetenz in höchste Ämter kommen“

Was auf den ersten Blick plausibel erscheint, muss es in seiner rechtlichen Ausgestaltung aber auch praktisch nicht sein. Eine solche Festlegung an Voraussetzungen für das Amt eines Ministers wäre eine einmalige Regelung, die es weder im Bund noch in anderen Bundesländern gibt. Zwingend notwendig wäre eine Verfassungsänderung, eine einfache Änderung eines Gesetzes reicht hier nicht. Bislang wurde auf vergleichbare Regelungen im Grundgesetz und anderen Landesverfassungen aber verzichtet, da eine solche Regelung in die alleinig dem Bundeskanzler bzw. Ministerpräsidenten zustehende Personalkompetenz bei der Bildung eines Kabinetts eingreift und diese beschränkt. Es gibt auch keinerlei fachlich begründeten Anlass, formelle Qualifikationen und weitere formelle Kriterien der Arbeitsbiographie zur Voraussetzung zu bestimmen. Minister sind eben keine Verwaltungsbeamte, sondern bewusst Teil einer politisch gestaltenden Landesregierung, die nach einer Wahl von Parteien nach politischen Maßstäben entsprechend der politischen Erwartungshaltung der Mehrheit der Wähler gebildet wird. Die Eignung für die Ausübung eines Ministeramtes setzt sich in der Folge aus vielfachen Kompetenzen und Fähigkeiten zusammen, wie etwa politische, fachliche, kommunikative und auch persönliche. Diese werden in ihrer Komplexität im Rahmen der Personalkompetenz des Ministerpräsidenten (für den im Übrigen politisch, demokratisch wie verfassungsrechtlich gut nachvollziehbar im Übrigen auch durch die CDU keine formellen Voraussetzungen definiert werden sollen) gesamt bewertet und sind Grundlage der Entscheidung einer Ernennung zum Minister. Eine Reduktion auf ein und auch nur rein formelles Kriterium wird dem Anspruch an die umfängliche Eignung eines Ministers nicht gerecht und kann diese auch nicht ersetzen.

Um dies einmal zu verdeutlichen, ein - in der Realität ausgeschlossenes - Gedankenspiel. Nehmen wir einmal an, der Ministerpräsident würde auf die Idee kommen, mich zum Innenminister ernennen zu wollen ;-). An dieser Stelle kann der geneigte Leser schon einmal überlegen, ob er mich als fachlich geeignet oder nicht geeignet einschätzt. Zur Erleichterung meine vielfach öffentlich nachlesbare Ausbildungs- und Erwerbsbiografie im Schnelldurchgang: Berufsausbildung mit Abitur, seitdem habe ich den Beruf des Elektronikfacharbeiters, fast 19 Jahre - mit Unterbrechung - Mitgliedschaft im Thüringer Landtag, davon auch mehrere Jahre Innenausschussvorsitzender und nun auch Vorsitzender einer Fraktion, insgesamt sechs Jahre als Fachreferent und persönlicher Mitarbeiter eines Abgeordneten tätig, berufsbegleitendes Studium an einer Verwaltungs-und Wirtschaftsakademie mit Abschluss als Verwaltungsbetriebswirt, mehrere Jahre Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaft, aber ohne Abschluss, sowie mehrere Jahre freiberuflich tätig in der Erwachsenenbildung als Referent. Denjenigen, die mich für nicht geeignet halten, muss ich leider antworten, dass nach dem CDU-Vorschlag allein meine Berufsausbildung zum Elektronikfacharbeiter mich befähigen würde, Innenminister werden zu können. Also die Tatsache, dass ich vor 30 Jahren Schaltpläne entwickeln, Leiterplatten ätzen, Bauteile montieren und verlöten sowie Telefonanlagen reparieren konnte, befähigt mich in den Augen der CDU zum Minister. Diejenigen, die mich für die Funktion eines Innenministers als geeignet eingeschätzt haben, würde ich fragen wollen, welche Rolle dabei mein Berufsabschluss des Elektronikfacharbeiter spielte. Und damit ist das Gedankenspiel beendet, zurück zur Realität.

Minister:innen müssen selbstredend entsprechend inhaltlich und persönlich für die Aufgabenerfüllung qualifiziert sein und sind es in Thüringen auch. Um es auch einmal deutlich zu sagen, für eine Wurzelbehandlung sind Zahnärzte die Experten, für Autoreparaturen KfZ-Mechaniker, für die Bildung von Kindern Lehrer und für politische Entscheidungen sind eben Politikerinnen und Politiker die Experten. Nur gibt es dafür keinen Ausbildungsberuf, man erlernt ihn und erwirbt die Kompetenzen und Fähigkeiten durch praktisches Tun. Das ist auch nicht ungewöhnlich und gibt es auch in anderen Tätigkeitsfeldern. Und selbstverständlich gibt es bei Politikern auch solche, die ihre Arbeit gut machen, andere wiederum schlecht. So wie auch in allen anderen Berufen. Und zwar ganz unabhängig vom erreichten formellen Qualifikationsgrad. Und nach meiner geneigten Erfahrung in der Thüringer Politik gilt ohnehin, dass ein Lehrer eben nicht zwangsläufig ein guter Bildungspolitiker ist oder gar Bildungsminister wäre, und ein Rechtsanwalt eben auch nicht zwangsläufig ein guter Justizpolitiker oder gar Justizminister wäre.

Der Vorschlag der CDU soll populär klingen, einen Handlungsbedarf suggerieren. Er schadet der parlamentarischen Demokratie aber mehr, weil er das falsche Bild zeichnet, dass es Regeln braucht, um politische Ämter vor der Schar Unfähiger zu schützen, die heute das Land regieren. Die CDU bedient letztlich gängige Vorurteile, die die Kompetenz von Minister:innen und Politiker:innen per se in Frage stellen. Eine rechtsextreme und demokratiefeindliche Partei wird sich an dieser neuerlichen Wegbereitung des gesellschaftlichen Klimas erfreuen. Das ist der CDU auf ihren Vorschlag zu erwidern.