Wieder einmal Streit um die Kommunalfinanzen

Steffen Dittes
Landtag

Wieder einmal – so berichten die Thüringer Medien - streiten Land und Kommunen über die Finanzen, die das Land den Kommunen, diesmal für die Unterbringung von aus der Ukraine geflüchteten Menschen, zur Verfügung stellt. Wieder einmal werfen die kommunalen Spitzenverbände der Landesregierung vor, „sich einen schlanken Fuß“ zu machen. Die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Land und Kommunen sind eigentlich zu komplex, um sie auf derartige Vorwürfe zu reduzieren, aber auch, um die Vorwürfe in einem Satz zurückzuweisen. Deswegen an dieser Stelle ein Versuch einer kurzen und zugegeben auch verkürzten Einordnung.

Wieder einmal – so berichten die Thüringer Medien - streiten Land und Kommunen über die Finanzen, die das Land den Kommunen, diesmal für die Unterbringung von aus der Ukraine geflüchteten Menschen, zur Verfügung stellt. Wieder einmal werfen die kommunalen Spitzenverbände der Landesregierung vor, „sich einen schlanken Fuß“ zu machen. Die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Land und Kommunen sind eigentlich zu komplex, um sie auf derartige Vorwürfe zu reduzieren, aber auch, um die Vorwürfe in einem Satz zurückzuweisen. Deswegen an dieser Stelle ein Versuch einer kurzen und zugegeben auch verkürzten Einordnung.

Aufgaben- und Finanzierungsverflechtungen der staatlichen Verwaltung

Der Bund, die Länder und die Kommunen, Landkreise wie Gemeinden, sind Teil der staatlichen Verwaltung mit jeweils spezifischen Aufgaben und Kompetenzen. Ihre jeweiligen Aufgaben werden im Wesentlichen durch drei Säulen finanziert: Steuereinnahmen, zweckbezogene Zuschüsse und durch auf einem Finanzausgleichssystem beruhenden Zuweisungen. Gerade die Finanzausausgleichssysteme sollen dafür sorgen, dass Länder bzw. die Kommunen ihre Aufgaben erfüllen können. Die Höhe der Zuweisungen beispielsweise im Kommunalen Finanzausgleich, für dessen Rechtsrahmen und finanzielle Ausgestaltung das Land Thüringen verantwortlich ist, bemisst sich dabei am Finanzbedarf einerseits und an der eigenen Steuerkraft der jeweiligen Kommune. Zusätz partizipieren die Kommunen auch von den Steuereinnahmen des Bundes, wenn sie Anteile an der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer erhalten. Andererseits werden Aufgaben durch Bund auf die Länder übertragen sowie Aufgaben durch Bundes- und/oder Landesgesetze den Kommunen als übertragene oder eigene Aufgaben übertragen. Aufgaben und Finanzierung der staatlichen Verwaltung greifen so ineinander und verschmelzen so in die durch Bürger:innen als solche wahrgenommen staatliche Verwaltung. Bund, Länder und Kommunen stehen somit gemeinschaftlich in der Verantwortung, sämtliche Aufgaben optimal zu realisieren. Jede Aufgabenübertragung – ganz gleich in welche Richtung – und jede Änderung des Finanzierungsstromes beeinflusst eine (Un)Ausgewogenheit von Finanzmittel- und Aufgabenverteilung.

Dieses System gemeinsamer Verantwortung begegnet nicht als solches, aber in seiner Ausgestaltung immer wieder Kritik. Die Kommunen stehen in der Rechtssetzungshierarchie an letzter Stelle und die Erzielung eigener Einnahmen kann nur gering durch eigene kommunale Steuern, Steuerhebesätze oder durch Gebühren sowie Beiträge beeinflusst werden, ist aber bspw. von vielen unbeeinflussbaren Faktoren abhängig, wie etwa bei der Gewerbesteuer. Die Länder haben noch geringere Möglichkeiten, die eigenen Einnahmen zu beeinflussen, da es nur wenige originäre Landessteuern gibt und die Steuereinnahmen des Landes sich aus Anteilen an Bundessteuern ergeben. Andererseits ist das Land für die Finanzierung der Kommunen verantwortlich. Diese verweisen nur allzu gerne auf diese Finanzierungsverantwortung und lassen die Finanzsituation dabei zumeist vollkommen außer Acht. Dabei ist dies auch aus Sicht der Kommunen nicht nur von Vorteil. Denn nahezu alle durch das Land verpflichtend zu finanzierende und freiwillig finanzierte Aufgaben wirken unmittelbar in den Kommunen: Polizei, Lehrer:innen, Straßenbau, Wirtschaftsförderung, Schulsozialarbeit und Jugendhilfe, Familienförderung, Breitbandausbau oder Theater usw. usf.. Wenn bei den dem Land zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln in gleichbleibender Höhe der Zahlbetrag an die Kommunen steigt, sinken Aufgaben, die das Land erbringt, in Umfang und Qualität, was wiederum in den Kommunen spürbar sein wird. Den Kommunen kann es also nicht egal sein, wie viel Finanzmittel das Land für die eigene Aufgabenerfüllung zur Verfügung hat. Für politische Entscheidungen sind alle Säulen staatlicher Verwaltung und deren Aufgabenerfüllung nicht nur mit, sondern immer gemeinsam zu denken.

Was heißt das nun für die Finanzierung der aus der Ukraine geflüchteten Menschen?

Am 31. März 2022 sagte der Thüringer Ministerpräsident für die Landesregierung den Kommunen zu, dass das Land den Kommunen die Kosten für die Aufnahme von aus der Ukraine geflüchteten Menschen zu 100% erstattet. Damit war gesagt, dass das Land, die durch die Kommunen zu bewältigende Aufgabe der Aufnahme und Unterbringung, die Leistungen für die Geflüchteten, medizinische Behandlungskosten usw. ausschließlich selbst trägt. An diese Zusage hat sich die Landesregierung gehalten und hat seitdem fast 18 Millionen Euro an die Kommunen aus eigenen Mitteln überwiesen. Dies war auch deshalb möglich und geboten, da sämtliche Geflüchtete in den Rechtskreis des Asylbewerberleistungsgesetzes fielen, das die Kommunen im übertragenen Wirkungskreis umsetzen, es also nicht zu ihren eigenen Aufgaben im staatlichen Verwaltungsgefüge gehört. Die Rechtssituation für Land und Kommunen, auf die sich der Ministerpräsident stützte und für die diese Zusage galt, hat sich nun aber zwischenzeitlich wesentlich verändert.

Am 20.Mai 2022 beschloss dann der Bundestag (der Bundesrat stimmte dem später zu), dass geflüchtete Menschen aus der Ukraine ab dem 1. Juni 2022 unter das Sozialgesetzbuch fallen und mit allen anderen Arbeitslosengeld II- und Grundsicherungsempfänger:innen gleichbehandelt werden. Dieser sogenannte Rechtskreiswechsel hat einerseits erhebliche Folgen für Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung, andererseits gibt es für die Finanzierung der Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch ein seit Jahren geregeltes – wenn auch nicht kritikfreies – Finanzierungssystem. Der Bund zahlt unmittelbar die Leistungen aus und erstattet den Kommunen die Kosten der Unterkunft entweder ganz (SGB XII) oder zu etwa 70% (SGB II). Eigenanteil und weitere Leistungen, bspw. für die Wiedereingliederung zahlen die Landkreise und kreisfreien Städte aus eigenen Einnahmen sowie aus den Zuweisungen im Finanzausgleich. Die Kostenbelastungen durch diese Sozialausgaben werden bei der Berechnung des Finanzbedarfes und damit der Höhe der Zuweisungen in den Folgejahren berücksichtigt. Es findet also eine zeitlich nachfolgende Erstattung steigender Sozialausgaben im Finanzausgleichssystem statt. Anders als bei anderen Sozialleistungsempfänger:innen verlangen die Kommunen aber für den Kreis der aus der Ukraine geflüchteten Menschen eine davon abweichende Finanzierung und fordern vom Land, dass dieses mithilfe einer Spitzabrechnung die Kosten zeitnah zu 100% übernimmt.

Die Kommunen verweisen auf außerordentliche Belastungen

Richtig ist, dass der plötzliche und deutliche Anstieg von Sozialleistungsempfänger:innen die Landkreise und kreisfreien Städte vor große Herausforderungen stellt, wie bereits die Aufnahme von Menschen seit Beginn des völkerrechtswidrigen Krieges im Februar 2022. Aber auch hier müssen sich Land und Kommunen gemeinsam den Herausforderungen stellen. Das Land Thüringen hat bislang bereits 100 Millionen Euro ausgegen, um Organisation, Aufnahme, zusätzliche Betreuung usw. sicherstellen zu können oder den Kommunen deren Kosten erstattet. Die Kommunen haben Unterkünfte organisiert, herrichten oder anmieten müssen und vor Ort soziale Betreuung organisiert. Es ist eine Gemeinschaftsaufgabe und Gemeinschaftsleistung, die mit Unterstützung vieler Ehrenamtlicher in den letzten Monaten erbracht wurde. Aber noch ein weiterer Punkt wird die Landkreise und kreisfreien Städte belasten. Die fehlende Krankenversicherung wird dazu führen, dass notwendige medizinische Behandlungskosten direkt durch diese zu tragen sind. Beiden Umständen hat der Bund dadurch entsprochen, dass er zur Entlastung der Länder und der Kommunen zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung gestellt hat. Für Thüringen bedeutet dies 49 Millionen an zusätzlichen Einnahmen. Durch den im Finanzausgleich bereits verankerten Partnerschaftsgrundsatz gehen davon automatisch 18,4 Millionen Euro an die Kommunen, aufgeteilt auf drei Jahresscheiben ab 2023. Zusätzlich beabsichtigt die Rot-Rot-Grüne-Landesregierung aus den Bundesmitteln weitere 18,7 Millionen Euro sofort den Kommunen als pauschale Entlastung für Eigenanteil und zusätzliche Aufwendungen auszuzahlen. Das hierfür dem Thüringer Landtag vorgelegte Gesetz ruft nun die Kritik der Kommunen hervor, weil damit lediglich Gelder weitergereicht werden würden, aber die vollständige Erstattung der Kosten, für die durch die Kommunen auf Grundlage des Bundesgesetzes zu erfüllende Aufgabe nicht erfolgt. Wie hoch diese Kosten tatsächlich sein werden, kann gegenwärtig keiner sagen. Auch ein Verweis auf die bestehende zeitlich nachfolgende Berücksichtigung der durch die Kommunen zu leistenden Ausgaben im Finanzausgleich bleibt unberücksichtigt.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Gesetzentwurf zur Entlastung der Kommunen hinsichtlich der Mehraufwendungen aus Anlass des Rechtskreiswechsels von aus der Ukraine geflüchteten Menschen wird am 14. Juli 2022 im Thüringer Landtag eingebracht und zur weiteren Beratung in den Haushalts- und Finanzausschuss überwiesen. Dort werden dann die Kommunen in einer Anhörung angehört und mit ihnen die Finanzierung diskutiert. Diese Diskussion wird dann jenseits der wechselseitigen politischen Vorwürfe sachlich auf der Grundlage der bestehenden Aufgaben- und Finanzierungssysteme der föderalen Bundesrepublik diskutiert. Besprochen wird auch, welche neben der Weiterleitung der Bundesmittel weiteren Maßnahmen zur zeitnahen Abfederung von vor allem Belastungsspitzen bei ggf. im Einzelfall notwendigen medizinischen Ausgaben notwendig sind oder ob möglicherweise Auszahlungszeiträume nach dem Partnerschaftsgrundsatz im vorliegenden Fall einer Veränderung bedürfen. Dieser lösungsorientierten Beratung im Parlament steht die heutige mediale Diskussion nicht im Wege. Diese wird auch die kooperative Aufgaben- und Finanzierungsstruktur in der Trias Bund, Land und Kommune grundsätzlich berücksichtigen.