Drittes Gesetz zur Änderung des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes

Steffen Dittes
RedenSteffen Dittes

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 7/6082

 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zunächst natürlich auch den herzlichsten Dank an die Landesregierung für die Vorlage des Gesetzentwurfs, über den wir heute, aber auch in den nächsten Wochen diskutieren.

 

Herr Voigt, wenn Sie sich hier vorn hinstellen und sich fragen, wo denn die Einladung zur Diskussion ist – die Einladung zur Diskussion liegt vor. Sie haben zumindest von dieser Einladung an dieser Stelle auch Gebrauch gemacht.

 

Ich bin froh, liebe Heike Taubert, dass die heutige Einbringung auch deutlich gemacht hat, dass dieser Haushaltsentwurf den Gestaltungsanspruch mit innovativen Ideen für die Zukunft beinhaltet, denn als ich am 12. Juli die Pressemitteilung des Finanzministeriums gelesen habe, war ich doch ob der Zurückhaltung einigermaßen verwundert, denn da wurde mitgeteilt, mit dem Haushaltsentwurf der Landesregierung ist es gelungen, im Freistaat in schwierigen Zeiten handlungsfähig zu bleiben. Mir ist das als Anspruch zu wenig. Es ist richtig, dass hier dargestellt worden ist, dass die Landesregierung auch einen weitergehenden Anspruch hat, den sie in diesem Haushaltsentwurf verwirklicht.

 

Weil Sie, Frau Taubert, darauf eingegangen sind – und, Herr Voigt, Sie haben das aufgegriffen –, will ich doch zumindest auch eine Bemerkung an den Anfang stellen, möglicherweise zu den Punkten, die nicht im Haushalt enthalten sind. Sie haben darauf verwiesen, Herr Voigt, dass es bekannt ist, dass es zwischen den Ministerien einen Streit gibt und es eine Riesenherausforderung für die Finanzministerin ist, die Ansprüche und Wünsche aus den Ministerien zu einem Haushaltsentwurf zusammenzubinden. Das ist richtig. Das ist jedes Jahr der Fall. Das ist keine Erfindung seit 2014, das war auch in den vorherigen Regierungen der Fall. Dafür gibt es zwei Gründe. Ich will Sie zumindest darauf aufmerksam machen, dass sich dieser Landtag mit einem der beiden Gründe intensiver auseinandersetzen muss.

 

Der erste Grund ist möglicherweise der, den wir gern auch politisch in den Raum stellen, dass aus den Ministerien Wünsche angemeldet werden, was wirklich wünschenswert zu machen wäre. Natürlich versuchen auch die Ministerien nach dem Eckwertebeschluss der Landesregierung, ihre Verhandlungsposition zu stärken, indem sie Forderungen ein Stück weit nach oben korrigieren, im Wissen, dass vielleicht die Finanzministerin im Gespräch nach unten korrigiert.

 

Aber es gibt einen zweiten Grund, den wir uns genauer angucken sollten, denn es gibt nämlich auch fachlich begründete Anmeldungen, die mit einer gewissen Dringlichkeit und Notwendigkeit aus den Ministerien in die Debatte hier reingebracht werden und bereits in der Frage der Haushaltsaufstellungen verloren gehen. Was aber dahintersteht, sind unerledigte Aufgaben aus Sicht der Fachleute, die sich in den Ministerien in den jeweiligen Fachbereichen „Soziales“, „Gesundheit“, „Bau“ und „Energie“ mit den Fragen beschäftigen, die wir als unerledigte Aufgaben zukünftigen Generationen überlassen, die möglicherweise dann, wenn sie die Aufgabe haben, ihre Gesellschaft, in der sie leben, zu gestalten, zunächst diese unerledigten Aufgaben nachzuholen, abzuarbeiten. Das ist eine Verantwortung von uns, uns genau mit dieser Fragestellung, was wir an Arbeit für künftige Generationen zurücklassen, auseinanderzusetzen.

 

Deswegen, Herr Voigt, und auch an die FDP gerichtet, eine Haushaltsberatung im Thüringer Landtag ist keine Diskussion über Budgethöhen. Wenn es das wäre, dann würden zwei der vier Grundrechenarten für diese Beratungen hier ausreichen. Eine Haushaltsberatung in diesem Landtag ist Haushaltspolitik. Eine Haushaltsberatung in diesem Landtag heißt, dass die Parlamentarier ihre Gestaltungsverantwortung wahrnehmen. Und das heißt, darüber zu diskutieren, was in dem Entwurf der Landesregierung steht, aber auch darüber zu diskutieren, was möglicherweise im Erarbeitungsprozess liegen geblieben ist.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Meine Damen und Herren, über die Rahmenbedingungen, in denen dieser Haushalt entstanden ist, wurde viel diskutiert. Ich will aus Zeitgründen nicht auf alles eingehen. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine, den Frau Taubert hier verurteilt hat – dieser Verurteilung schließen wir uns an –, ist benannt. Es geht hier auch um die Angst, die damit verbunden ist für die Menschen, der ihr existenzielles Menschenrecht berührt. Der Klimawandel, den haben sie nur wenig angedeutet, bewegt auch die Menschen. Was heißt das für die Zukunftsfähigkeit, was heißt das für die Menschen, für die Energieversorgung, was heißt das auch für die Lebensmittelversorgung? Was heißt das für die Gesundheit? Die Versorgungsunsicherheit bei Gas und Wärme, die extreme Inflation bei Lebensmitteln, Strom und Gas, die Menschen verzweifelt zurücklässt, weil sie die Frage stellen: Wie kann ich wirklich diese Kosten noch tragen? Und wir haben natürlich auch noch mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen, die deutlich gemacht haben, welche Ungleichwertigkeiten in dieser Gesellschaft und Ungleichbehandlungen noch vorherrschen und hier sind wir noch nicht mal am Ende der Pandemie. Wir müssen uns gewahr werden, auch in Kenntnis der Infektionszahlen, dass die gesellschaftliche Verantwortung noch nicht zu Ende ist, als Gesellschaft auch für den Schutz derer zu sorgen, die selbst nicht für den eigenen Schutz sorgen können.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Meine Damen und Herren, aus all diesen Unsicherheiten und Ängsten, die uns zum Teil selbst bewegen, die uns aber auch immer wieder in Gesprächen gespiegelt werden, ergibt sich natürlich auch eine Verantwortung, Herausforderungen anzugehen, Krisen zu lösen und dort, wo notwendig und begründet, eben auch menschliche Fehlentscheidungen zu korrigieren. Aber, Herr Voigt, es entwickelt sich daraus auch eine Verantwortung für die Politik, für die politische Kommunikation. Denn Unsicherheit in dieser Zeit bei vielen Menschen in diesem Land muss auf das Vertrauen in die politischen Institutionen treffen, weil wir nur so auch eine stabile demokratische Gesellschaft gemeinsam weiterentwickeln können. Diese Verantwortung, auch dieses Vertrauen zu schaffen, diese Verantwortung trägt auch die Opposition im Thüringer Landtag. Und ich habe überhaupt kein Verständnis, gerade vor den bestehenden Herausforderungen – Frau Taubert hat die demografische Entwicklung und die Folgen auch für die wirtschaftliche Entwicklung Thüringens beschrieben –, dass Sie sich hierhinstellen und permanent dieses Land schlechtreden, entgegen aller anderen tatsächlichen Fakten, die Sie ja auch zur Kenntnis nehmen. Das Bruttoinlandsprodukt in Thüringen steigt, das Einkommen steigt, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Importe und die Exporte steigen in Thüringen. Und wie wollen Sie denn mit Ihrer Rede tatsächlich auch über Thüringen hinaus die notwendigen Investitionen und Neuansiedlungen von Unternehmen hier nach Thüringen holen, wenn Sie permanent den Eindruck wirklich vermitteln, in Thüringen bestünde für sie überhaupt keine Zukunft? Sie reden die Zukunft der Menschen in diesem Land schlecht und zerstören das Fundament auch für unsere zukünftige Entwicklung.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Ich sage es Ihnen auch ganz deutlich: Sie wissen, welchen Anteil künftig die Menschen im berufsfähigen Alter in Thüringen noch prozentual an der Bevölkerung haben – etwas mehr als 35 Prozent. Die Herausforderung dafür besteht, Fachkräfte nach Thüringen zu holen, Fachkräfte in Thüringen zu entwickeln. Dann stellen Sie sich hierhin und führen eine peinliche Stellendiskussion über die Anzahl der nicht besetzten Stellen. Unsere Verantwortung ist – Ihre wie auch meine –, dafür zu sorgen, dass wir in der Verwaltung, im Lehrerbereich, im Polizeibereich, in den vielen Einrichtungen, die wirtschaftliche Entwicklungen möglich machen, in den Kommunen genau die Anzahl von ausgebildetem Personal zur Verfügung haben, die die Aufgaben tatsächlich erfordern. Da ist es mir in erster Linie völlig egal, wie viele Stellen auch für eine effektive Personalbewirtschaftung notwendig ist – wir brauchen das notwendige Personal in der notwendigen Anzahl, nicht eine Person mehr, aber auch nicht eine Person weniger.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Und dazu lade ich Sie ein, auch dafür zu werben und den Leuten nicht die Angst zu vermitteln, hier nach Thüringen zu kommen, dort hätten sie keine Zukunft; das ist nicht die Verantwortung, die man auch von einer Opposition erwarten darf. Und ich sage es auch ganz ehrlich, wir dürfen die Menschen, die sich berechtigt Sorgen machen, nicht denen überlassen, die Angst und Verunsicherung nutzen und nutzen wollen, um die Gesellschaft zu spalten und ein grundsätzlich demokratisches System zu destabilisieren. Da hat eben der Haushalt mit seinen Grundlagen eine besondere Verantwortung, denn er ist eben auch Grundlage eines funktionierenden staatlichen Systems. Deswegen will ich auch zur Situation der öffentlichen Haushalte im Rahmen dieser Haushaltsberatung etwas sagen, weil natürlich die beschriebenen Rahmenbedingungen auch Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte haben, auf beiden Seiten, auf die Einnahmeseite wie auf die Ausgabenseite.

 

Herr Voigt, Sie haben sich im Sommer mit dem Satz zitieren lassen: Der Staat darf sich nicht länger über die Mehrwertsteuer an den gestiegenen Preisen bereichern. Ich will Ihnen ganz deutlich sagen, ich halte diese Wortwahl aus zwei Gründen für gefährlich: Erstens machen Sie den Staat für die Preisexplosion verantwortlich und verschweigen die eigentlichen Verursacher. Denn ich sage es auch ganz ehrlich, wir haben keine Preisinflation in diesem Land und der Welt im eigentlichen Sinne, wir haben eine Gewinninflation auf dieser Welt.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Was ist denn das? Waren Sie mal einkaufen?)

 

Wenn wir über die Ursachen reden, müssen wir darüber reden und nicht so tun, als ob der Staat sich an diesen Einnahmen bereichert.

 

Das Zweite: Sie schwächen damit auch das Vertrauen in den Staat, wenn Sie mit Ihrer Wortwahl den Staat sozusagen als Straßenräuber herabqualifizieren, der sich bereichert an den Menschen in diesem Land. Ein Problem bei dieser Wortwahl und bei dieser Analyse ist auch, dass Sie damit einen volkswirtschaftlichen Irrweg einleiten, der zu sozialer Ungerechtigkeit und zu einem immer weniger leistungsfähigen Staat führt, indem Sie sagen: Der Staat soll durch die Senkung der Verbrauchssteuern zur Entlastung der Bürger auf eigene Einnahmen verzichten.

 

In der Tat, meine Damen und Herren, jede Senkung von Verbrauchssteuern entlastet Verbraucher, entlastet Konsumenten, und zwar entsprechend ihres Verbrauchs. Das heißt, es werden tatsächlich alle entlastet. Und was passiert denjenigen, die aufgrund ihres höheren Einkommens auch mehr verbrauchen können? Sie werden durch diesen Staat stärker entlastet. Also wir hier als Abgeordnete im Thüringer Landtag werden durch Senkung der Verbrauchssteuern stärker entlastet als Menschen mit einem geringen Einkommen und damit auch weniger Konsummöglichkeiten.

 

Was Sie dazu aber auch noch machen, ist, Sie verzichten damit ja auf Einnahmen des Staates und damit verzichten Sie in der Konsequenz auf öffentliche Leistungen, die Sie ja auch eingefordert haben, weil Sie die mit weniger Einnahmen eben nicht mehr sicherstellen könnten. Da sage ich Ihnen auch kein Geheimnis. Die am meisten auf öffentliche Leistungen des Staates angewiesen sind, sind die Menschen mit den geringsten Einkommen, nicht die mit den hohen Einkommen, denn die können sich die Leistungen, die sie brauchen auf dem privaten Markt jederzeit mit ihrem Einkommen organisieren, zumindest zu großen Teilen. Das heißt, Sie entziehen zur angeblichen Entlastung der Menschen mit geringem Einkommen denen Leistungen und finanzieren das obendrein auch noch mit den Steuern derer, die Sie entlasten wollen. Das ist volkswirtschaftlich, aber auch sozialpolitisch ein Irrweg, den Sie da einleiten. Deswegen kritisieren wir das auch.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Obendrein können Sie ja – das hat der Tankrabatt gezeigt – noch nicht mal zu 100 Prozent sichern, dass diese Steuerentlastung auch bei denen ankommt, die Sie entlasten wollen.

Wenn wir über öffentliche Haushalte reden – da lade ich Sie ein –, reden wir also nicht nur über die Ausgaben. Wir müssen auch anfangen, stärker über die Einnahmen zu reden und woher diese kommen. Wenn wir auch über Steuersenkungen reden wollen, dann reden wir über ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Baby- oder Kindernahrung oder auch Schulsachen. Und vor allen Dingen reden wir auch über die Rücknahme von Steuersenkungen für Bereiche, die allein aus Lobbyinteressen, beispielsweise der FDP im Jahr 2012, glaube ich, eingeführt worden sind. Dann lassen Sie uns auch über eine gezielte Steuerentlastung für kleine und mittlere Einkommen reden. Lassen Sie uns über eine leistungsgerechte Besteuerung großer Einkommen reden. Lassen Sie uns auch über eine Besteuerung von Kapitaltransaktionen reden.

 

Sie merken, es gibt tatsächlich viele Ideen für eine sozial gerechte Steuerreform, die einem einfallen, wenn man darüber redet. Die lassen den Staat handlungsfähig, aber sie nehmen auch die in die Verantwortung, die leistungsfähig sind, und sie ermöglichen eben auch, dass der Staat und die Gesellschaft damit in der Breite diejenigen unterstützen, die Unterstützung notwendig haben.

 

Meine Damen und Herren, auch in Richtung der FDP, der SPD und der Grünen, wenn wir über die Preisexplosion durch Gewinninflation reden, dann müssen wir natürlich auch über zielgerichtete Entlastungen, über Übergewinnsteuer reden und Preisregulation durch Obergrenzen. Das, was da gestern als Entlastungspaket vorgelegt worden ist, ist absolut unbefriedigend.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Das ist eben auch eine Verantwortung. Herr Voigt, Sie haben darauf hingewiesen, dass wir hier in Thüringen natürlich nicht die Inflation in irgendeiner Form bekämpfen können, dass wir die Preisexplosion nicht bekämpfen können. Aber wie der Staat darauf reagiert, das ist auch eine politische Verantwortung, der wir uns landespolitisch stellen und da ist eben auch ein Ansprechpartner die Bundesregierung.

 

Diese Bundesregierung hat angekündigt, die vergessenen Einmalzahlungen an Rentnerinnen und Studierende nachzuholen. Sie kündigt zielgerichtet eine Entlastung für sozial Schwache beim Bürgergeld und beim Wohngeld an und bleibt beim Bürgergeld mit ihrer Ankündigung am Ende sogar noch unterhalb der Armutsgrenze. Hinsichtlich der Besteuerung von Übergewinnen formuliert die Bundesregierung, es handelt sich hierbei um Zufallsgewinne und verschweigt eigentlich

 

(Beifall DIE LINKE)

 

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Das ist soziale Marktwirtschaft!)

 

– ja, Herr Voigt, das ist nämlich der Kapitalismus, von dem Ihre Partei immer redet – die zugrundeliegenden Mechanismen, dass es dafür auch Verantwortliche gibt.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

(Unruhe CDU)

 

Es gibt eben nicht den Zufallsgewinn, sondern es ist eine Folge von wirtschaftspolitischen, es ist eine Folge von finanzpolitischen Entscheidungen. Und in dem Punkt, wo man wirtschaftspolitische und finanzpolitische Entscheidungen tatsächlich korrigieren kann, vertröstet das Entlastungspaket auf Prüfung und Diskussion auf europäischer Ebene, vertröstet dann auf einen Prüfauftrag nachfolgend der Bundesregierung.

 

(Zwischenruf Abg. Möller, SPD: … Sie müssen es auch umsetzen können!)

 

Italien, Spanien, Irland zeigt, dass es auch nationale Entscheidungsmöglichkeiten innerhalb der Europäischen Union gibt und die Bundesregierung hat ja selbst angekündigt – und deswegen ist der Zwischenruf auch sachlich falsch –, dass wenn es auf europäischer Ebene zu keiner Einigung kommt, selber aktiv werden zu wollen. Diskussionen über Preisobergrenzen verschiebt sie auf diesen Zeitraum danach.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Ich will es mal ehrlich sagen: Ich kritisiere euch oder Sie doch nicht dafür, da sitzen wir doch landespolitisch in denselben Diskussionen, in denselben Gremien, aber ihr seid natürlich auch näher dran an der Bundesregierung und deswegen sollte das, was landespolitisch diskutiert wird, auch an die Bundesebene getragen werden. Als ich das Entlastungspaket gestern gelesen habe, habe ich gesagt: Noch weniger Ambition bedeutet Stillstand.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Es ist schon erstaunlich, wie wenig man mit 65 Milliarden Euro tatsächlich für die Menschen tun kann. Ja, in der Tat, Thüringen nimmt mehr Steuern ein auch aufgrund höherer Preise. Thüringen nimmt durch die Verbrauchsteuer auch mehr ein, wenn mehr konsumiert wird, wir nehmen auch weniger ein, wenn weniger konsumiert wird. Das ist eben Sinn und Zweck der Verbrauchsteuern, das ist ein seit Jahren funktionierendes System. Es ist unsere Verantwortung, mit diesen Veränderungen auf der Einnahmenseite öffentlicher Haushalte verantwortlich umzugehen, weil wir Steuereinnahmen treuhänderisch verwalten für die Menschen. Deswegen ist es unsere Verantwortung, mit diesem Geld auch verantwortlich im Sinne der Menschen umzugehen.

 

Ich komme zu den Eckdaten des Haushalts. Die Steuereinnahmen – das wurde ja mehrfach gesagt – werden im Jahr 2023, Stand Steuerschätzung jetzt, um 650 Millionen Euro steigen. Natürlich hat das Auswirkungen auf das Haushaltsbudget. Wer im Ergebnis propagiert, dass damit aber die Ausgaben im Haushalt nicht steigen dürfen, der will erstens die Handlungsfähigkeit des Staates zerstören, weil natürlich auch – Frau Taubert hat darauf hingewiesen – die Ausgaben inflationsbedingt für die öffentlichen Haushalte steigen, der nimmt aber auch in Kauf, die Gesellschaft zu spalten, weil – das hatte ich gesagt – vor allem die weniger Einkommensstarken auf Leistungen des Staates angewiesen sind.

 

Zur Finanzierung dieser Leistungen stehen aber nicht nur die Steuereinnahmen des laufenden Jahres zur Verfügung, sondern eben auch nicht verwendete Steuereinnahmen der vergangenen Jahre. Auch das sind Steuereinnahmen, die der Freistaat Thüringen eingenommen, aber nicht ausgegeben hat, die natürlich für nachfolgende Haushaltsjahre zur Verfügung stehen. Die Einnahmen aus den Jahren, in denen es Thüringen besser geht, sollen nämlich dann nachfolgend zur Verfügung stehen, wenn es Thüringen – in Anführungszeichen – weniger gut geht. Deswegen sind die Rücklagen natürlich auch ein Finanzierungsinstrument.

 

Herr Voigt, Sie haben heute oder letzte Woche ein Papier veröffentlicht – die Position der CDU-Fraktion zum Thüringer Landeshaushalt 2023. Sie wissen, ich bin ein leidenschaftlicher Streiter und achte auch manche populäre Äußerung und Verkürzung, aber wenn ich hier lese: „Von Anfang an bediente sich die Ramelow-Regierung aus der Sparbüchse des Landes, um ihre Spielwiesen zu bedienen.“, dann ist das nicht nur ideologisch schlecht, sondern es ist vor allem auch sachlich falsch.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Am Ende des Jahres 2013, praktisch das letzte vollständig von der CDU regierte Jahr in Thüringen, betrug die Rücklagenhöhe 100 Millionen Euro und sie hat sich entwickelt bis zum Jahr 2020, praktisch schon am Ende des ersten Krisenjahres, auf 1,850 Milliarden. Wie Sie da auf die Idee kommen, dass sich diese Regierung praktisch seit Beginn an den Einnahmen des Landes irgendwie vergriffen hat, ist mir doch ein Rätsel. Dann stellen Sie sich hier hin und kritisieren, man hat immer die Rücklagen aufgebraucht und verbraucht die und man bedient sich da an den Einnahmen des Landes aus früheren Jahren, um dann gleichzeitig zu kritisieren, dass an jedem Jahresende Geld übriggeblieben ist. Was wollen Sie denn eigentlich? Wollen Sie kritisieren, dass zu viel Geld ausgegeben worden ist, oder wollen Sie kritisieren, dass zu wenig Geld ausgegeben worden ist?

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Und dann stellen Sie sich hier hin und sagen: Wir bedienen uns auch in diesem Jahr wieder an der Rücklage, vergreifen uns an der Rücklage, das heißt, dieselbe Straßenräuberunterstellung gegenüber der Landesregierung, volkswirtschaftlich und politisch wirklich auch sehr gefährlich,

 

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: … 2025 ist Schluss!)

 

und sagen, 2025 ist Schluss. Jetzt habe ich Ihr Papier ja sehr aufmerksam gelesen, und man sollte schon konsistent argumentieren. Was Sie in Ihrem Papier schreiben, ist: „Im Haushaltsvollzug 2022 könnten sich diese Überplanungen auf bis zu eine Milliarde Euro belaufen.“ Es sind nicht nur Überplanungen, es sind die Steuermehreinnahmen. Das heißt, Sie gehen in Ihrem Papier selber davon aus, dass 2022 1 Milliarde Überschuss entsteht, was dazu führt, dass die Rücklage im Jahr 2022 gar nicht sinkt, sondern sogar noch um 500 Millionen Euro anwachsen wird auf 2 Milliarden. Das ist dann die Grundlage für die weiteren Planungen. Ich bin sehr dafür – und da bin ich sehr eng bei Heike Taubert –, dass wir tatsächlich vernünftig über Rücklagenentnahmen und Rücklagenbildung diskutieren. Dazu gehört natürlich auch die Verantwortung, Steuereinnahmen aus früheren Jahren den Menschen wieder zeitnah zugutekommen zu lassen und nicht als unendlich anwachsende Sparbüchse immer für das nächste Krisenjahr als Rückhalt zu haben, sondern dann einzusetzen, wenn es notwendig ist,

 

(Unruhe CDU)

 

zweitens auch zukünftige Haushalte in einem überschaubaren Zeitraum mit im Blick zu haben und natürlich auch – da haben Sie recht – während des Jahres 2022 ein Stück weit Prognosen für den Jahresabschluss 2022 – wir werden den vor Beschlussfassung dieses Haushalts nicht kennen – mit zu berücksichtigen, weil wir somit natürlich auch ein Stück weit für künftige Haushaltsjahre 2024, 2025, auch 2026 Verantwortung übernehmen können. Das machen wir, das macht Heike Taubert mit ihrem Entwurf. Ich glaube, nur aus dieser wirklich ausgewogenen Balance dieser drei Aspekte wird eine sachlich fundierte Entscheidung für diesen Haushalt erwachsen.

 

Ich will es ganz deutlich sagen: Es gibt Unwägbarkeiten seit 2020. Sie haben das selbst erwähnt. Es sind krisenhafte Situationen, es sind Herausforderungen. Diese Unwägbarkeiten bestehen für die Einnahmeseite, sie bestehen aber auch für die Ausgabeseite.

 

Nun haben Sie, Herr Voigt, in Ihrer Rede und auch in Pressemitteilungen und in Ihrem Papier geschrieben, die aus den Mehreinnahmen resultierenden Mehrausgaben wären verschenktes Geld. Da will ich Ihnen mal sagen, was Sie als verschenktes Geld in diesem Haushalt charakterisieren, dann gehen Sie wirklich mal in dieses Land und begründen das anhand dieser Position: 204 Millionen Euro zusätzlich für Investitionen in diesem Land; Investitionen, die dringend notwendig sind, wie Sie selbst hier immer wieder betonen, um dieses Land zukunftsfähig zu machen. Denn es ist eben nicht sinnvoll – das hatte ich Ihnen letztes Jahr schon gesagt –, notwendige Investitionen in die Zukunft zu verschieben. Ich hoffe, jetzt hat es auch der Letzte in diesem Rund gemerkt: Jede verschobene Investition ist nicht nur ein Verzicht auf Leistungen, es ist vor allem eine zusätzliche Belastung von Mehrkosten für künftige Haushalte.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Die Kommunen: Sie stellen sich hierhin und sagen, den Kommunen werden 30 Millionen Euro vom Kleine-Gemeinden-Programm weggenommen. Die Kommunen bekommen mit diesem Haushalt die beste Finanzausstattung, die es im Freistaat Thüringen jemals gab: 155 Millionen Euro zusätzlich.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Ich werde dazu noch mal ausführen.

Die Personalkosten steigen um etwas mehr als 100 Millionen Euro aufgrund eines Tarifvertrags, der auch eine Arbeitgeberverantwortung der öffentlichen Verwaltung sichtbar macht. Wir müssen um Menschen für die öffentliche Verwaltung in vielen Bereichen, für Lehrer, Polizeibeamte werben, weil wir nur so zukunftsfähig bleiben. Dazu gehört dringend ein Tarifvertrag mit Bestandteilen guter Arbeit. Die Energiekosten hat Frau Taubert benannt, die zusätzliche Tilgung von Schulden in Höhe von 65 Millionen Euro, insgesamt 236 Millionen Euro – das alles und zum Beispiel auch mehr als 100 Millionen Euro – 117 Millionen Euro – zusätzlich in den Krankenhausbereich im Bereich des Sozialministeriums beschreiben Sie als verschenktes Geld. Lieber Herr Voigt, ich bitte Sie wirklich, wieder zu einer sachlichen Debatte zurückzukehren.

 

In diesem Zusammenhang sage ich Ihnen auch, was auch zum Ansteigen des Haushaltsbudgets führt: Wir werden diese Globale Minderausgabe nicht fortsetzen. Sie war falsch und das wissen Sie aus vielen Beratungen.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD)

 

Ich finde es schamlos, wenn Sie sich hier hinstellen und versuchen, sich Ihrer Verantwortung dafür zu entziehen und behaupten, die Globale Minderausgabe hätte eigentlich keine Auswirkungen gehabt.

 

Meine Damen und Herren, Matthias Hey hat gestern von der größten Herausforderung der letzten drei Jahrzehnte für den Haushalt gesprochen. Ich sage aber ganz ehrlich, wir werden diese Herausforderung erst dann gemeistert haben, wenn wir nicht nur Ist-Zahlen übertragen, wir werden diese Herausforderung auch dann erst nicht nur gemeistert haben, wenn wir praktisch einseitig auf die Herausforderung in dieser Zeit blicken, sondern wir haben drei Aufgaben und Funktionen in diesem Haushalt abzubilden.

 

Das Erste ist, Bewährtes und Bestehendes sichern und fortsetzen. Das Zweite sind Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, und wir müssen vor allen Dingen auch diese meistern und wir müssen die Zukunft angehen und gestalten. Auch das sind alles keine Selbstzwecke. Für den Haushalt – das sage ich ganz ehrlich für meine Fraktion – ist, wenn wir diese drei Aufgaben erfüllen wollen, der Leitwert die Gerechtigkeit. Die erreichen wir, wenn wir mit diesem Haushalt den Nachteilsausgleich und vor allen Dingen auch soziale, ökonomische und politisch-kulturelle Teilhabemöglichkeiten schaffen und erhalten und wenn wir zukünftigen Generationen eben nicht unerledigte, aber längst überfällige Aufgaben hinterlassen und sie zwingen, Investitionen erst aufholen zu müssen, von einer intakten Umwelt ganz zu schweigen.

 

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: … Wir vermissen die konkreten Dinge!)

 

Und dann sagen Sie, Herr Voigt, so ein Haushalt ist einfallslos, der ist bräsig. So gehen Sie ins Land: Der ist bräsig, beinhaltet keine Ideen. Ich will Ihnen mal sagen, was zum ersten Teil gehört: Bewährtes sichern.

 

(Unruhe CDU)

 

Hören Sie doch erst mal zu, dann können Sie doch auch noch mal Ihr Urteil fällen, dann gehen Sie ins Land.

Herr Tischner, schauen wir uns doch mal den Bildungsbereich an. Die Schulinvestitionen – und das sagen uns die Schulverwaltungsämter auch, wenn wir vor Ort mit den Leuten reden. Sie stellen sich immer so hin, als ob Sie der Einzige sind, der vor Ort mit irgendjemandem redet. Im Übrigen rate ich Ihnen, mit Ihrem Bäcker um die Ecke nicht zu telefonieren, sondern hinzugehen, weil dann ist das Gespräch authentischer.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Die Schulinvestitionen, Herr Tischner, sind seit 2014 so hoch wie nie in Thüringen,

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Die Kosten ja auch!)

 

1 Milliarde Investitionsstau haben wir 2014 übernommen. Wir haben in diesem Haushalt – und darauf können Sie doch auch stolz verweisen, da haben Sie doch mitgemacht – eine gleiche Bezahlung für alle Lehrer in allen Schularten und in allen Schulformen, auch das ist in diesem Haushalt enthalten.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Wir haben die Beitragsfreiheit für zwei Kindergartenjahre in diesem Haushalt, wir haben die gesicherte Hochschulfinanzierung mit der Rahmenvereinbarung, wir haben ein „Landesprogramm für Demokratie“, weil der Schutz der Demokratie immer notwendiger sein wird und an Bedeutung überhaupt nicht verloren hat.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD)

 

Wir haben ein Landesarbeitsmarktprogramm mit einem Teil von öffentlich geförderter Beschäftigung, aber auch gerade mit vielen Beratungsprogrammen für Migrantinnen und Migranten zur Fachkräftegewinnung. Wir haben zusammen auch Transformationsagentur, Technologieberatungsstelle auf den Weg gebracht, um den notwendigen sozialökologischen Transformationsprozess der Thüringer Wirtschaft zu begleiten. Wir haben – und Sie haben das in einem Nebensatz so lapidar gesagt – im Bereich der öffentlichen Sicherheit Ausgaben für Polizei und Feuerwehr in den letzten Jahren gehabt, die ihresgleichen suchen und die fortgesetzt werden. Es gibt die Wärmeenergieoffensive, es gibt das Klima-Invest-Programm, es gibt im Bereich der sozialen Gerechtigkeit und Teilhabe fortgesetzte Jugendhilfe, Schulsozialarbeit, eine Integrationsrichtlinie, die gesichert ist. Mit dem Landesprogramm „Solidarisches Zusammenleben der Generationen“ hat Thüringen die Familienpolitik neu ausgerichtet, hat die Landkreise in die Verantwortung gesetzt, tatsächlich Familienzentren, Seniorenbeauftragte, Pflegestützpunkte oder Bürgerbusse zu finanzieren. Mit dem Programm „AGATHE“ ist aufsuchende Sozialarbeit für Senioren gesichert, Fachkräfte beraten ältere Menschen, damit die wieder am Leben in der Gemeinschaft teilnehmen können. Ich nenne das Gesellschaftspolitik, die keinen zurücklässt. Sie nennen das verschenktes Geld und Bräsigkeit, und das macht den politischen Unterschied aus.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Die Herausforderungen bestehen natürlich – und da komme ich zum zweiten Schwerpunkt –, die müssen wir meistern, denen müssen wir uns stellen. Die Bundesregierung ist da natürlich in erster Linie in der Verantwortung, Maßnahmen zur Begrenzung dieser Gewinninflation zu erlassen, aber auch zur Entlastung von Menschen mit kleinem, keinem oder mittlerem Einkommen. Dafür ist das gestern vorgestellte Entlastungspaket unbefriedigend, das habe ich bereits gesagt. Das entbindet uns auch nicht von der Aufgabe, über unsere eigene Verantwortung hier in Thüringen zu reden. Reden wir über den Härtefallfonds, reden wir über die Bedingungen, wem er zugutekommen soll! Wenn die Bundesregierung ihren Verpflichtungen nicht nachkommt, können wir zwar nicht das Sozialrecht der Bundesrepublik praktisch erweitern und praktisch ein eigenes Sozialrecht in Thüringen entgegenstellen, aber wir können vielleicht im gemeinsamen Diskurs darüber nachdenken, welche Menschen – und ich denke da hier insbesondere an Familien mit Kindern – wir wirklich unmittelbar vor Armut schützen, wenn andere in diesem Land ihrer Verantwortung nicht gerecht werden.

 

Und ich sage auch: Vereine sind betroffen. Das, was Sie so lapidar abtun, Sie brauchen das Geld in den Gemeinden und nicht im Haushalt und nicht beim Ehrenamt – nein, da haben wir eine völlig andere Vorstellung als Sie. Viele Vereine in diesem Land

 

(Unruhe CDU)

 

leisten eine hervorragende Arbeit:

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Sportvereine, Kulturvereine, Traditionsvereine. Viele Vereine leisten eine hervorragende Arbeit, auch die sind betroffen von Nebenkostenforderungen, von den Energiekosten. Und wenn Sie dort keine Hilfe kriegen, werden sie ihre Leistungen zurückfahren. Das heißt: Lassen Sie uns darüber reden, erstens, wie wir in dem Haushalt nicht wirklich jedes einzelne Programm aufstocken im Inflationsausgleich, das wird uns alle überfordern, aber lassen Sie uns – und das ist mein Vorschlag – über einen Verstärkungstitel im Einzelplan 17 reden, der es den Ministerien ermöglicht, in eigener Verantwortung im Rahmen ihrer Richtlinien eben auch bei Vereinen, wo die qualitative Arbeit beeinträchtigt sein wird durch diese Preis- und Energieinflation, dass die dann eben auch eine zusätzliche Unterstützung erfahren.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Denn wir müssen die Strukturen erhalten und dafür sorgen, dass Qualität und Umfang der geförderten Projekte weiter fortbestehen. Die Herausforderungen der Demografie wurden bereits genannt. Wir brauchen eben nicht diese peinliche Stellendiskussion, sondern wir brauchen aktives Werben für Fachkräfte. Das betrifft den privaten Bereich, das betrifft den öffentlichen Bereich und das betrifft vor allem aber auch Angebote für Zugezogene, für Migrantinnen und Geflüchtete. Und da sage ich auch ganz deutlich, Herr Voigt: Geflüchtete nehmen wir als Erstes und alleinig aus humanitärer Verantwortung auf

 

(Beifall DIE LINKE)

 

und das werden wir auch in Zukunft so tun. Was dann aber folgen muss, ist tatsächlich ein Angebot entsprechend der Fähigkeiten, entsprechend der Wünsche sich zu qualifizieren und Angebote zur Integration. Da sage ich aber auch ganz ehrlich: Integration ist ein zweiseitiger Prozess. Auch diese Gesellschaft muss sich integrationsbereit zeigen und muss Leistungen zur Integration erbringen. Daran wollen wir arbeiten, auch mit diesem Haushalt.

 

Ich habe die Krankenhäuser erwähnt. Wir haben die Erfahrung aus der Coronapandemie, die Krankenhäuser sind ein wesentlich stützendes Element des Gesundheitssystems in Thüringen. Die Landesregierung stellt im laufenden Haushalt 119 Millionen Euro zusätzlich für Krankenhäuser insgesamt zur Verfügung. Auch die Haushaltsansätze und die Verpflichtungsermächtigungen im investiven Bereich für die Krankenhäuser machen eine Gestaltung und Modernisierung der Krankenhauslandschaft in den nächsten Jahren möglich.

 

Dann komme ich zu der größten Herausforderung – die haben Sie auch benannt –, zur Energiekrise und den Preisexplosionen. Sie haben einen Energiesicherungsfonds vorgeschlagen. Sie haben Bestandteile benannt, Liquiditätshilfen, Bürgschaftshilfen und Entlastung von Menschen. Konkreter sind Sie bislang nicht geworden – das verstehe ich auch –, denn so ein Energiesicherungsfonds kann im Prinzip nur das, was die Bundesregierung macht, ergänzen, und muss zumindest darauf aufbauen, gegebenenfalls auch Leerstellen, wenn sie nicht geschlossen werden, füllen.

 

Dann haben Sie aber vorgeschlagen – das habe ich gestern bei dpa gelesen –, die Steuermehreinnahmen vom nächsten Jahr dazu zu verwenden. Lieber Herr Voigt, das wissen Sie ja, diese Steuermehreinnahmen sind bereits in diesem Haushalt veranschlagt. Wenn Sie also der Meinung sind, 400 Millionen Euro aus der Steuerschätzung Mai 2022 verwenden zu können, dann müssten Sie hier Kürzungsvorschläge von 400 Millionen Euro einbringen. Wenn Sie dann noch gleichzeitig sagen, dass das Budget in diesem Jahr wieder zu hoch ist, werden Ihre Einkürzungsvorschläge immer größer werden. Wenn ich Ihnen hier aber genau zugehört habe, haben Sie sich hier hingestellt: Das Budget ist zu groß, wir brauchen 400 Millionen Euro. Und dann haben Sie eine ganze Reihe von Programmen aufgezählt, die auch mit finanziellen Mitteln aufgestockt werden sollen. Ich glaube, hier müssen wir finanzpolitisch tatsächlich noch mal ins Gespräch kommen, da ist es noch nicht ganz stimmig. Aber ich bin sehr gern bereit, mit Ihnen über so einen Energiesicherungsfonds zu reden, was er beinhalten muss. Ich sage Ihnen aber auch ganz ehrlich, ein Teil oder zwei Teile, die Sie genannt haben, sind gar nicht zwingend aus dem laufenden Haushalt zu finanzieren. Das sind nämlich Bürgschaftshilfen oder auch Liquiditätshilfen, die rückzahlbar sind. Das heißt, wir brauchen hier eine Stabilisierung bei den Finanztransaktionen. Da bin ich auch im Widerspruch zur Finanzministerin. Ich würde das Sondervermögen in diesem Bereich nicht so leichtfertig zur Seite stellen.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Wir wissen doch seit 2020, dass ein Haushalt, der das laufende Geschäft der Verwaltung und die Gestaltung der Gesellschaft, den Alltag bestimmen soll, solche immensen Krisen gar nicht abbilden kann. Wir haben 2020 gemeinsam – Sie und die Koalitionsfraktionen – ein Sondervermögen von 1,3 Milliarden Euro gebildet, um auf Corona zu reagieren. Ich glaube, wir haben jetzt eine Situation, wo wir noch gar nicht wissen, was im nächsten Jahr tatsächlich auf uns zukommt, wo wir diese Diskussion über ein Sondervermögen, wo wir sehr flexibel auch mit dem Einfluss des Parlaments reagieren können und zielgenauer Programme entwickeln können, nicht einfach abtun sollen. Ich glaube, es ist notwendig, diesen Energiesicherungsfonds nicht in den Haushalt zu denken, sondern zu sagen, als Interventionsmöglichkeit des Haushaltsgesetzgebers weiterentwickeln und dann das haushaltspolitisch/haushaltsrechtlich richtige Instrumentarium dafür wählen. Eine Integration von 400 Millionen Euro in diesem Haushalt ist schlichtweg unmöglich.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Ich will zum dritten Teil kommen, den ich genannt habe: Zukunft angehen und gestalten. Meine Fraktion hat sich sehr frühzeitig mit fünf Schwerpunkten beschäftigt. Sie wissen alle, deswegen will ich es auch noch mal an erster Stelle sagen, der Zugang zu kostenfreier oder entgeltfreier Bildung ist eine Frage von Bildungsgerechtigkeit. Das ist eine bildungspolitische Maßnahme.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Aber wir wissen auch, dass ein drittes beitragsfreies Kindergartenjahr eine enorme sozialpolitische Maßnahme in diesem Jahr ist, die zu einer unmittelbaren Entlastung von Familien mit Kindern führt, und zwar um mehr als 1.300 Euro im Jahr.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Wenn ich das mal gegenüberstelle mit der angekündigten 18-Euro-Erhöhung des Kindergeldes, finde ich, ist es zielgerichtet und es ist vor allem auch wirksam. Deswegen sage ich, es ist eine richtige bildungspolitische Maßnahme und es ist auch in diesem Jahr eine besonders zielgerichtete und notwendige sozialpolitische Maßnahme.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Dazu gehören natürlich – und da haben SPD und Grüne immer wieder recht, die das immer wieder einbringen – auch die Verbesserung des Personalschlüssels, die Vereinheitlichung im ersten Schritt. Es gehört die gesetzliche Sicherung der praxisintegrierten Ausbildung dazu. Ich kann Ihnen ankündigen, dass sich die Fraktionsvorsitzenden darauf verständigt haben, im November diesem Landtag einen Gesetzentwurf vorzulegen, in den Landtag einzubringen, der genau diese drei Säulen von Verbesserung von Bildung, Bildungsgerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit von Thüringer Kindergärten beinhaltet.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Ich bitte auch alle Fraktionen, insbesondere auch die, die auf Bundesebene Verantwortung tragen, sich auch gegenüber ihren Bundesparteien dafür einzusetzen, dass die Rücknahme der Förderung der sogenannten Sprach-Kitas sich nicht in die Realität umsetzt. Wir können nicht in jedem Fall, wenn sich der Bund seiner Verantwortung entzieht, dann mit Landesmitteln kompensieren, was bundesweit begonnen worden ist. Wir müssen darauf bauen, dass Bildung eine gemeinsame Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen ist, und der müssen wir gerecht werden.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Mobilitätsgarantie will ich nur kurz erwähnen, da ist noch vieles im Argen. 1,5 Milliarden hat die Bundesregierung gestern angekündigt für einen Nachfolger des 9-Euro-Tickets. Was sich hinter diesem Abo-Ticket verbirgt, wird man erst noch zeigen können. Klar ist aber auch schon: In der angekündigten Preisgrenze werden sich Grundsicherungsempfänger nicht wiederfinden, denn deren Anteil in Mobilitätskosten in der Grundsicherung ist niedriger als das, was jetzt an Preisuntergrenze in den Raum gestellt worden ist. Und ich glaube, das ist das verheerende Signal einer erst mal vom Grundsatz her positiven Ankündigung, dass man eben die Grundsicherungsempfänger aus diesem zukünftigen Abo-Ticket herausdenkt.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Ich habe bereits angesprochen als dritten Schwerpunkt: die soziale Teilhabe sichern. Ich habe auch die Programme genannt. Ich will aber auch deutlich sagen: Wir brauchen endlich eine radikale Armutsbekämpfungspolitik und eine, die an die Wurzeln geht. Es kann nicht sein, dass die Länder in der Verantwortung sind, Armut zu verwalten und die Nachsorge zu betreiben.

 

Da komme ich zum vierten Punkt und Sie haben es angesprochen, Herr Voigt: gesellschaftliche Teilhabe stärken. Sie tun immer so, dass die Kleinteiligkeit der staatlichen Verwaltung auf gemeindlicher Ebene die Grundlage, die Basis, das Fundament unserer Gesellschaft ist. Das ist mitnichten so. Die Basis, das Fundament unserer Gesellschaft sind die Menschen, die sich in den Gesellschaften tatsächlich für gesellschaftlich Notwendiges einsetzen, das sind diejenigen, die Ehrenamt tatsächlich sicherstellen. Deswegen werbe ich dafür: Verlassen Sie den Kurs der ideologischen Forderung des Kleine-Gemeinde-Programms und reden Sie mit uns gemeinsam darüber, wie man mit der Ehrenamtsstiftung gemeinsam ein Programm auf den Weg bringt,

 

(Beifall DIE LINKE)

 

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Ideologischer Groß…!)

 

tatsächlich gesellschaftliches Leben in den Gemeinden zu fördern und nicht an der Kleinteiligkeit der staatlichen Verwaltung als Basis der Gesellschaft festhalten zu wollen.

 

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Sie sind so weit weg von der Realität!)

 

Das ist ideologisch verbrämt. Ich glaube, das ist auch nicht zukunftsweisend. Ich denke, wir müssen Signale geben an die Menschen, die sich in den Gemeinden engagieren.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Ich sage auch was zu den Zukunftsinvestitionen, die notwendig sind: Ich glaube auch – das habe ich schon gesagt –, dass die Haushalte in der Jährlichkeit tatsächlich diese Herausforderung notwendiger Zukunftsinvestitionen nicht abbilden können.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Deswegen hat die Fraktion Die Linke drei Vorschläge: Wir sollten über ein durch die Thüringer Aufbaubank finanziertes Investitionsprogramm reden, was die Kommunen unbürokratisch in Anspruch nehmen können,

 

(Beifall DIE LINKE)

 

weil damit Investitionen, die rentierlich sind, sich im Haushaltsrecht der Kommunen aber nicht darstellen lassen können, ermöglicht werden.

Zweiter Punkt: Wir sollten ein gestaltet kontrolliertes kreditfähiges Sondervermögen Klima-Invest tatsächlich diskutieren.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Denn wenn wir versuchen – das haben Sie benannt –, Klimaschutzinvestitionen in diesen jährlichen Haushalt hineinzupressen, werden wir scheitern. Wir werden immer unzureichende Investitionsmittel zur Verfügung haben; wir brauchen aber eine Investitionsoffensive und die müssen wir ermöglichen.

 

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Zwei haben unterschrieben!)

 

Und da müssen wir kreativer auch nachdenken über das Haushaltsrecht hinaus.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Und wir müssen auch darüber reden, dort, wo Private aus welchen Gründen auch immer, Zukunftsinvestitionen nicht tätigen, dass die Hand auch diese Investitionen tätigt, dass wir eben über eine ausschließlich im öffentlichen Eigentum befindliche Investitionsgesellschaft diskutieren und überlegen: Kann das Investitionsstau wirklich aufholen und kann damit auch ein Weg in die Zukunft geleistet werden?

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Meine Damen und Herren, der Haushaltsentwurf der Landesregierung ist eine gute Arbeitsgrundlage für das Parlament, um bis zum Dezember 2022 die Beratungen abzuschließen. Es gibt viele Erwartungen, es gibt viele Unsicherheiten. Dieser Haushalt wird die Grundlage sein für die soziale Infrastruktur, für die Kommunen, für die Bildung, für die öffentliche Sicherheit, aber auch für viele Wirtschaftsunternehmen und auch für wirtschaftliche Entwicklung.

 

Ich habe jetzt viel gelesen, wer alles diesen Haushalt ablehnt und ablehnen wird. Aber ich glaube: Wer in das Parlament gewählt wird, hat sich wählen lassen, weil er Verantwortung tragen will. Und Verantwortung tragen heißt eben, auch Entscheidungen zu treffen. Und, Herr Voigt, ich sage es Ihnen ganz ehrlich, Sie stehen vor einer einzigen, aber sehr leicht zu beantwortenden Frage: Wollen Sie Verantwortung für das Land übernehmen?

 

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Ja!)

 

Sie sehen sich in der Fraktion, in der öffentlichen Darstellung oft als Volkspartei mit staatspolitischer Verantwortung. Und bei aller Kritik, bei aller inhaltlichen Differenz: Ich muss sagen, dieser Verantwortung sind Sie mit Ihren Zustimmungen zum Haushalt 2021 und 2022 auch nachgekommen.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Wenn Sie das doch nur gewesen wären!)

 

Aber in dieser besonderen Situation der Krisen und Herausforderungen, die Sie ja selbst auch beschrieben haben, öffentlich zu sagen, Rot-Rot-Grün solle doch lieber mit FDP und Bürger für Thüringen reden, das deutet dann doch eher darauf hin, dass Sie sich im dritten Jahr, wo wir gemeinsam einen Haushalt in dieser Situation beraten und beschließen könnten, Ihrer Verantwortung entziehen wollen. Die Frage, ob Sie Verantwortung tragen, haben Sie heute nicht abschließend beantwortet. Ich kann Ihnen jedenfalls sagen, dass die Abgeordneten der Fraktionen Die Linke, der SPD und Grünen ihre Verantwortung tragen und auch übernehmen. Wir werden den Haushaltsentwurf in all seinen Positionen prüfen, bewerten und wir werden vor allem auch Entscheidungen treffen, bis hin zur Beschlussfassung über den Haushalt.

 

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Sie als Regierungsfraktionen …!)

 

Wir werden Bestehendes und Bewährtes sichern, wir werden uns den bestehenden Herausforderungen stellen und wir werden vor allem auch Zukunft gestalten. Ich lade Sie wirklich herzlich ein, daran mitzuwirken. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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