DIE LINKE sieht beginnenden Bodycam-Pilot weiterhin kritisch

Heute wurde in Gotha erste Technik für einen Bodycam-Pilotversuch an die Polizei übergeben, der am Montag starten soll. Dazu erklärt, Steffen Dittes, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Thüringer Landtag: „Es gibt ein berechtigtes Schutzinteresse, aber unsere Bedenken gegen die Bodycam sind nicht vom Tisch. Wir halten sie weder für tatsächlich geeignet, noch für angemessen, um wirksam Gewalt gegen Polizisten zu reduzieren. Der Thüringer Landtag hatte erst im Februar 2017 mit Stimmenmehrheit gegen einen Pilotversuch votiert und das Ministerium beauftragt, vorhandene Studien und bereits erfolgte Pilotversuche auszuwerten.“

 

In der heutigen Pressevorstellung wurde als Beleg für die Wirksamkeit des Pilotversuchs in Hessen in den Vordergrund gestellt, dass ein Rückgang von 40 auf 25 Fälle zu verzeichnen gewesen sei. „Hessen ist aber kein belastbares Beispiel, weil dort auf eine wissenschaftliche Evaluierung verzichtet wurde und es zu methodischen Problemen kam, die den Test verfälscht haben“, so der Abgeordnete. Dort waren Beamte auch plötzlich in einer Gruppe von bis zu vier in Personen mit Kamera unterwegs, wo es vorher nur zwei waren, es gab keine Kontrollgruppen und die Kamera wurde nicht in der gesamten Phase des Pilotversuches getragen, was die Vergleichbarkeit stark reduziert. Dittes weiter: „Das Ergebnis kann nicht seriös als Beleg herangezogen werden, es ist auch deswegen relativ nutzlos, da 2015 in Thüringen Rückgänge in gleichen Dimensionen auch ohne Bodycam erfolgten, etwa im Weimarer Land bei -38 Prozent oder im Altenburger Land bei nahezu identischen Fallzahlen sogar um -48,8 Prozent. Hinzu kommt, dass gerade die Aufklärungsquote in diesem Deliktbereich mit etwa 98 Prozent zu den höchsten gehört.“

 

„Die Gründe für diese Schwankungen kann ein Bodycam genauso wenig aufhellen, wie sie nachhaltig zum Schutz der Polizisten beitragen kann, da eine Vielzahl der Übergriffe ohne rationale Abwägungen oder unter Alkoholeinfluss geschehen - bei den Körperverletzungen waren dies 2015 über 70 Prozent. Eine echte Analyse der aktuellen Entstehungsbedingungen, Gewalterfahrung und Präventionsmöglichkeiten von Gewalt gegen Polizisten in Thüringen kann nur durch eine unabhängige empirische Forschung geleistet werden“, so der Abgeordnete.

Internationale Studien verweisen auch auf einen Anstieg von gewalttätigen Angriffen auf Polizeibeamte mit Bodycams.

 

Dass die Bodycam im Rahmen des Pilotversuches auch BürgerInnen vor rechtswidrigem Verhalten schützen soll, wie heute vorgetragen, hält Dittes für ein Scheinargument. „Gerade aus internationalen Studien ist bekannt, dass Bodycams dann keinen Präventionscharakter gegen rechtswidriges Handeln haben, wenn Polizeibeamte darüber entscheiden, ob und wann die Kamera eingeschaltet wird. Damit einher geht immer ein Mangel an Objektivität.“ 


Der Abgeordnete weist darauf hin, dass im Thüringer Landtag am 23. Februar 2017 ein Antrag der CDU behandelt wurde, der einen Pilotversuch forderte. Außer der CDU stimmten alle anderen Fraktionen gegen diesen Pilotversuch und  forderten die Landesregierung auf, zunächst bis zum Sommer deutschlandweite und internationale Erfahrungen zu eruieren und dem Innenausschuss vorzulegen, schließlich gibt es auch internationale kritische Studien, die die Wirksamkeit widerlegen.

 

„Dass jetzt vorab und ohne wissenschaftliche Begleitung trotzdem testweise in drei Regionen die Kameras zum Einsatz kommen sollen, trifft nicht auf unsere Zustimmung“, so Steffen Dittes.„Irritiert bin ich auch darüber, dass das Innenministerium schon jetzt plant, im Jahr 2018 die thüringenweite Ausstattung für die Thüringer Polizei vornehmen zu wollen, während der Pilot gerade begonnen wird, da haben wir noch einigen Diskussionsbedarf“, so der Abgeordnete abschließend.