Rechtliche Zulässigkeit von Bodycams bei der Polizei höchst fraglich

Steffen Dittes

Debattenbeitrag von Steffen Dittes (DIE LINKE) auf der Grundlage eines am 23. Februar 2017 im Thüringer Landtag gehaltenen Redebeitrages

Maßnahmen zum Schutz von Polizeibeamten vor tätlichen Angriffen werden in der Politik, in den Medien und durch die Polizeigewerkschaften derzeit intensiv diskutiert. Im Februar 2017 erst gab der Bundesrat seine Zustimmung zu einem Gesetz, das der Bundespolizei erlaubt, sogenannte Bodycams einsetzen zu können. Mehrere Bundesländer, aber auch die Deutsche Bahn haben den Einsatz derartiger Körperkameras bislang in Pilotversuchen getestet. Auch in Thüringen kündigte Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) an, einen weiteren, eigenen Pilotversuch starten zu wollen. So sollen ab dem zweiten Quartal 2017 Polizeibeamte in den Polizeiinspektionsbereichen Erfurt-Nord, Gotha und Sonneberg mit den Kameras ausgestattet werden. Eine Arbeitsgruppe bei der Polizei erarbeitet derzeit Rahmenbedingungen für den Einsatz. Auf Antrag der CDU-Fraktion diskutierte der Thüringer Landtag über die nicht unumstrittene Befugnis, die einerseits mehr Sicherheit für Polizeibeamte versprechen soll, aber andererseits in Grundrechte der von Videoaufnahmen betroffenen Menschen eingreift. Dies führt dazu, dass Fragen nach der tatsächlichen Wirksamkeit als auch die nach der rechtlichen Zulässigkeit der Körperkameras zu stellen und zu beantworten sind. In der zumeist oberflächlichen Debatte der vergangenen Wochen traten diese Fragen aber zunehmend in den Hintergrund. Zur Rechtfertigung des Einsatzes reichten Kausalketten wie die von Innenminister Poppenhäger aus, der am 8. Februar 2017 in einer Pressemitteilung ausführte, dass „Gewalt gegen Einsatzkräfte ... eine ernstzunehmende Entwicklung (ist), der frühzeitig mit einem deutlichen Zeichen begegnet werden muss. Die Einsatzkräfte stehen im Dienst für uns alle und auch für das Gewaltmonopol des Staates. Deshalb ist ein besonderer Schutz geboten“. Dem sei vorab entgegenzuhalten, dass der umgekehrte Schluss aber keinesfalls zulässig ist. Denn eine andere Auffassung zu einem möglichen Einsatz von Bodycams einzunehmen, heißt nicht, Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit von Polizeibeamten nicht zu verurteilen. Eine andere Auffassung als die des Innenministers zu vertreten, heißt ebenso nicht, sich nicht darüber auseinanderzusetzen, wie der Schutz von Polizeibeamten bei der Ausübung ihres Dienstes verbessert werden muss und auch tatsächlich verbessert werden kann. Gerade zu letzterem gehört auch ein ehrlicher Umgang gegenüber Polizeibeamten. Denn diesen nützt es in der Praxis rein gar nichts, wenn mehr Schutz und Sicherheit versprochen wird, aber mit dem dafür eingesetzten Mittel gar nicht erreicht werden kann, oder sogar die Gefahr besteht, diese zu verringern. Die Darstellung des Thüringer Innenministeriums, „die Kameras könnten (!) die Beamten bei ihren Einsätzen vor Gewalttätigkeit schützen und potentielle Angreifer von einem Angriff auf Beamtinnen und Beamte abschrecken“ erscheint jedenfalls wenig überzeugend, vermag in jedem Falle aber nicht, überzeugend den grundrechtsrelevanten Eingriff zu rechtfertigen. Aus diesem Grund ist eine tiefergehende Betrachtung des Einsatzes der Bodycams notwendig.

Beim Einsatz von Bodycams handelt es sich zunächst um eine besonders leicht handhabbare Form der Videoüberwachung bei polizeilichen Maßnahmen, und zwar insbesondere der Menschen, die mit polizeilichen Maßnahmen konfrontiert werden. Damit verbunden ist infolge der permanenten Verfügbarkeit und der leichten Handhabbarkeit eine Ausweitung der Videoüberwachung. Die Videoaufzeichnung stellt dabei einen Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung dar, der eine gesetzliche Ermächtigung erfordert und dem Grundsatz der verfassungsrechtlich erforderlichen Verhältnismäßigkeit entsprechen muss.

Gesetzliche Ermächtigung im Polizeiaufgabengesetz

Das Thüringer Polizeiaufgabengesetz in Thüringen bietet in der Tat auf den ersten Blick eine gesetzliche Grundlage, Videoaufnahmen anzufertigen. Die entsprechenden Grundlagen finden sich in § 33 Polizeiaufgabengesetz. In Absatz 6 heißt es:

„Die Polizei kann zum Schutz der Polizeibeamten bei Personen- oder Fahrzeugkontrollen an öffentlich zugänglichen Orten Bildaufzeichnungen durch den offenen Einsatz technischer Mittel anfertigen; dies gilt auch dann, wenn Dritte unvermeidbar betroffen sind. Der Einsatz der technischen Mittel ist, falls er nicht offenkundig ist, durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen oder der betroffenen Person mitzuteilen. Die Bildaufzeichnungen sind, soweit sie nicht zur Verfolgung von Straftaten benötigt werden, spätestens nach 48 Stunden zu löschen. § 40 Abs. 4 Satz 1 und 2 bleibt unberührt.“

Die im Jahr 2007 in das Polizeirecht in Thüringen aufgenommene Regelung geht auf einen damaligen Beschluss der Innenministerkonferenz zurück, der zum Ziel hatte den unverdeckten Einbau von Videoaufnahmetechnik in Funkstreifenwagen zu ermöglichen, um bei Personen- und Fahrzeugkontrollen an mit Kfz befahrbaren Stellen eingesetzt zu werden. Diese Zielstellung findet sich sowohl in der Gesetzesbegründung im Rahmen der parlamentarischen Beratung als auch in der einschlägigen Kommentierung des Gesetzes. Wenn auf dieser Grundlage nunmehr der alltägliche Einsatz von Bodycams ermöglicht werden soll, geht dies weit über den gesetzgeberischen Willen hinaus, der eben keine permanent verfügbare Videoaufzeichnung ermöglichen wollte, sondern auf Verkehrskontrollen beschränkte Maßnahmen zur Eigensicherung durch in Polizeiwagen erkennbar verbaute Aufzeichnungstechnik abzielte. Eine Befugnis im Übrigen, die in Thüringen bislang überhaupt nicht zur Anwendung kam, nunmehr aber sehr viel weitgehender ausgelegt werden soll. Die niedersächsische Datenschutzbehörde hat auf der Grundlage einer nahezu wortgleichen Regelung im Sicherheits- und Ordnungsgesetz Niedersachsens einen Pilotversuch in Niedersachsen beanstandet und als rechtswidrig charakterisiert, weil die besondere Form des Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Bodycam keine gesetzliche Grundlage hat. Es dürften also somit erhebliche Zweifel daran bestehen, ob in Thüringen derzeit überhaupt eine Rechtsgrundlage für den Einsatz der Körperkameras auch bereits im Rahmen eines Pilotprojektes bestehen. Zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit sind neben der nach der vorhandenen gesetzlichen Ermächtigung auch die Fragen nach der Zweckmäßigkeit, der Erforderlichkeit, der Geeignetheit sowie nach der Angemessenheit zu stellen.

Zweckmäßigkeit und Erforderlichkeit

Es kann keinen Zweifel daran geben, dass der Schutz von Polizeibeamten ein legitimer Zweck ist, der im Rahmen der Fürsorgepflicht des Dienstherren auch dazu führt, dass dieser sich mit Maßnahmen auseinandersetzt, die erforderlich, geeignet und angemessen sind, dem berechtigten Schutzbedürfnis Rechnung zu tragen. Eine Betrachtung der Entwicklung der tätlichen Angriffe auf Polizeibeamte nährt hingegen Zweifel an der Erforderlichkeit. So hat beispielsweise Prof. Dr. Henning Ernst Müller in einem Beitrag zur beabsichtigten Strafverschärfung im § 114 StGB auf die Unzulänglichkeit vieler Statistiken hingewiesen und die Behauptung des Bundesjustizministers Heiko Maas als falsch dargestellt. Dieser hat am 17. Februar 2017 im Deutschen Bundestag ausgeführt: „Wir haben in den letzten Jahren festgestellt, dass tätliche Angriffe insbesondere gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte permanent zunehmen. Wir haben mittlerweile jedes Jahr über 60.000 Angriffe auf Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte.“ Prof. Dr. Müller verwies darauf, dass die Zahl der Fälle des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, die tätliche Angriffe wiederum einschließen, in den letzten Jahren sogar zurückgegangen sind. Auch für Thüringen ist eine solche Tendenz der Statistik zu entnehmen. Widerstandshandlungen gingen hier 2015 gegenüber 2014 um 22,8 Prozent bzw. um 202 Fälle zurück. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit wäre es aber auch durchaus zulässig, weniger auf die quantitative Entwicklung abzustellen und vielmehr die Qualität bspw. der tätlichen Angriffe in den Mittelpunkt zu rücken. Nur darauf beziehen sich die Befürworter_innen der Bodycam nicht und liefern auch keinen wirklich begründenden Beleg. Die stetige Behauptung der quantitativen Zunahme von Angriffen auf Polizeibeamte, die sich aus Statistiken aber nicht ableiten lässt, nährt dann in der Konsequenz mehr Zweifel, als dass sie zum überzeugenden Argument wird. Das Fragezeichen bei der Erforderlichkeit wird im Übrigen auch nicht schwächer, wenn die Aufklärungsquote in der genannten Deliktgruppe bei mehr als 98 Prozent liegt

Geeignetheit

Dass derzeit ein Bodycam-Pilotprojekt das andere jagt, ist einerseits Ausdruck der nicht zu gering zu schätzenden verfassungsrechtlichen Dimension dieser angestrebten polizeilichen Befugnis. Andererseits kommt darin aber auch zum Ausdruck, dass keine gesicherten und belastbaren Informationen vorliegen, ob das Mittel tatsächlich geeignet ist, das behauptete Ziel erreichen zu können, wie das eingangs erwähnte Zitat aus dem Thüringer Innenministerium anschaulich belegt. Allerdings verliert der behauptete Pilotcharakter auch an Glaubwürdigkeit, wenn gleichzeitig mit dem Pilotprojekt die sich an das Pilotprojekt anschließende angestrebte dauerhafte, flächendeckende und rechtssichere Einführung der Körperkameras angekündigt wird. Es wäre jedenfalls deutlich glaubwürdiger, wenn angesichts einer Vielzahl von Pilotprojekten zunächst deren Auswertung vorgenommen werden würde, anstatt ein weiteres hinzuzufügen. Auch die vorliegenden internationalen Erfahrungen und Studien sollten zunächst berücksichtigt werden, die weder hinsichtlich einer quantitativen Betrachtung als auch qualitativen Auswertung durch ein weiteres Pilotprojekt in Thüringen erreicht werden können.

Vielfach wird in der Diskussion argumentativ auf das Pilotprojekt in Hessen und die dabei erzielten Erfolge verwiesen. Deswegen lohnt ein Blick auf die bislang noch nicht abschließend evaluierten Ergebnisse, und es wird sehr schnell deutlich, warum die in Frankfurt/Main, Alt-Sachsenhausen ermittelten Ergebnisse nicht geeignet sind, den Einsatz von Bodycams zu begründen. Vielfach wird auf den prozentualen Rückgang von Widerstandshandlungen während der Pilotphase verwiesen. Der ist ohne Zweifel beachtlich. Die absoluten Zahlen lassen aber schon einen anderen Eindruck zu. So ist in dem Kneipenvierteln die Anzahl der Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte von 14 auf 8 während sechs Monaten gesunken. Innerhalb dieser sechs Monate waren die Körperkameras aber nur an 34 Tagen tatsächlich im Einsatz. Im Ergebnis wurden an drei weiteren Standorten in Alt-Sachsenhausen die Bodycam-Versuche auf ein Jahr ausgedehnt. Dort gab es einen Rückgang der Widerstandshandlungen um 37,5 Prozent, in absoluten Zahlen sank die Zahl der Widerstandshandlungen von 40 auf 25. Zum Vergleich, im Altenburger Land in Thüringen betrug bei etwa identischen Fallzahlen der Rückgang 48,8 Prozent. Ganz ohne den Einsatz von Bodycams gingen dort die Widerstandshandlungen im Jahr 2015 von 43 auf 22 zurück. In Hessen wurden die Ergebnisse möglicherweise auch schon deshalb verfälscht, da die Kameraträger meist nicht zu zweit, sondern in Einzelfällen zu dritt oder auch zu viert auf Streife gegangen sind. Das dürfte unzweifelhaft eher einen deutlicheren Effekt auf kontrollierte Personen gehabt haben, als die Kamera selbst. Auch erfolgte die Durchführung im Rahmen der Pilotprojekte mit Freiwilligen, was wiederum ebenso Effekte auf die Ergebnisse gehabt haben dürfte. Der Hamburger Kriminologe Nils Zurawski fasst dann auch zusammen, dass diese Ergebnisse die Effektivität von Körperkameras nicht belegen können. Weder seien Laufzeit und Grundmenge ausreichend gewesen, es fehlte zudem ein methodisches Herangehen, insofern Vergleiche mit gleichen Orten und Zeiten ebenso fehlten, wie Kontrollgruppen mit und ohne Kameras. Auch eine externe wissenschaftliche Begleitung hat in Hessen nicht stattgefunden. All das spricht dafür, dass die in der politischen Argumentation herangezogenen Ergebnisse aus Hessen keinesfalls belastbar sind.

Anders eine von der University of Cambridge und RAND Europe veröffentlichte Studie, die insgesamt 2,2 Millionen Arbeitsstunden von mehr als 1.200 Polizisten in zehn unterschiedlichen Tests auswertet. Die Ergebnisse sind durchaus überraschend. Polizisten, die eine Bodycam mit sich führen, wurden um 15 Prozent öfter Ziel tätlicher Angriffe. Die Wissenschaftler kamen zu keiner einheitlichen Erklärung dieses Befundes und stellten sehr differenzierte Thesen hierzu auf. Eine mögliche Erklärung wäre demnach, dass Polizisten mit der Videokamera eher von Gewaltangriffen berichten. Es könne aber auch sein, dass Menschen noch aggressiver werden, wenn Polizisten in sowieso schon eskalierten Situationen eine Videokamera anschalten. Eine dritte Erklärung könne nach Ansicht der Wissenschaftler sein, dass Polizisten zurückhaltender und defensiver reagieren, wenn sie eine Kamera dabei haben, und dadurch mehr Gewalt auf sich ziehen. Diese Ergebnisse machen doch notwendig, einen kurzen Blick auf Täterstrukturen und Tatsituationen zu werfen. 91 Prozent der Tatverdächtigen sind Alleintäter, von denen 72 Prozent bereits polizeilich in Erscheinung getreten sind. Der Anteil von alkoholisierten Tätern bei Straftaten gegen Polizeibeamte beträgt 56 Prozent, bei Delikten der einfachen Körperverletzung gegenüber Polizei und Vollzugsbeamten liegt der Anteil der alkoholisierten Täter mit über 70 Prozent nochmals deutlich höher. Nach einer im Jahr 2012 veröffentlichten Studie, die Polizeibeamte als Opfer von Gewalt untersuchten, sind Gefahren für Polizeibeamte in zunächst anscheinend ungefährlichen Situationen ungleich höher. Das sind eben nicht die häufig öffentlich diskutierten Einsätze im Rahmen von Demonstrationen oder Sportveranstaltungen, bei denen die meisten Polizisten derart verletzt werden, dass sie anschließend dienstunfähig sind. Es sind vielmehr die alltäglichen Einsätze wie Festnahmen, bei Streitigkeiten oder bei Störungen der öffentlichen Ordnung, in denen am häufigsten Verletzungen mit nachfolgender Dienstunfähigkeit festzustellen sind.

Die beschriebene Täterstruktur und die beschriebenen Tatsituationen dürften zumindest infrage stellen, ob die der Bodycam zugeschriebene präventive Abschreckungsfunktion überhaupt wirkt. Auch das Argument, dass Körperkameras geeignet seien, Straftaten von Polizeibeamten aufzuklären und in der Folge entsprechend strafrechtlich zu verfolgen, ist wenig überzeugend. Dass es Hemmnisse bei der Verfolgung und Ahndung von durch Polizeibeamte im Dienst begangene Straftaten gibt, ist bekannt. In vielen Bundesländern wird dem mit der Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten begegnet, wie sie auch Thüringen nunmehr auf den Weg gebracht hat. Die Bodycam ist aber gerade kein objektives Beweismittel bei der Straftatsaufklärung, weil erstens, nicht der Polizeibeamte (mit) gefilmt wird, und zweitens, der Polizeibeamte selbst über Beginn und Ende der Videoaufzeichnung entscheidet und somit Kausalketten und Entstehungsprozesse im Strafprozess nicht rekonstruierbar sind, sondern lediglich Ausschnitte, über die der Polizeibeamte selbst entschieden hat, zur Aufklärung zur Verfügung stehen. Die bereits erwähnte internationale Studie hat auch dies mit untersucht und kommt durchaus zu einem überraschenden Ergebnis, denn es ist ganz erheblich, ob Polizisten selbst entscheiden, wann sie die Kamera einschalten und wann nicht. Die Studie stellt fest, dass die Gewaltanwendung seitens der Polizisten um 73 Prozent beträchtlich zunimmt, wenn Polizisten während des Dienstes die Kamera an- und ausschalten. Hingegen nimmt die Gewaltanwendung um 36% ab, wenn die Kameras während der gesamten Schicht aufzeichnen, was in der Bundesrepublik unter den verfassungsrechtlichen Vorgaben keinesfalls zulässig sein dürfte.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass eine Geeignetheit des Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung durch den Einsatz von Körperkameras zur Erreichung eines größeren Schutzes von Polizeibeamten vor tätlichen Angriffen nicht zu erkennen ist. Dem entgegen aber die rechtlichen Bedenken erheblich sind. Die hessische Datenschutzbehörde, die den dortigen Pilotversuch zunächst wohlwollend begleitete, musste im weiteren Verlauf feststellen, dass „das ... mit dem, wie das ursprünglich angefangen hat, weswegen wir auch diese Modellversuche wohlwollend begleitet haben, nicht mehr so viel zu tun (hat). Das ufert eigentlich in eine permanente Dauerüberwachung aus.“

Angemessenheit

Aber auch die erforderliche Angemessenheit ist nicht zu erkennen, weil sehr viel niedrigschwelligere Maßnahmen umsetzbar sind, die keinen derart weiten Grundrechtseingriff zur Folge haben. Zunächst steht die Ausbildung von Polizeibeamten im Mittelpunkt. Die RAND Europe-Studie kommt zu einem in diesem Zusammenhang ebenso zu berücksichtigendem Ergebnis. All diejenigen Polizeibeamten, die mit einem späteren Täter kommuniziert haben, werden deutlich weniger verletzt, während diejenigen, die nicht mit dem späteren Täter kommuniziert haben, deutlich schwerer verletzt werden. Dem folgt, dass die Kommunikationsfähigkeit und –kompetenz von Polizeibeamten in eskalativen Situationen mit der Aus- und permanenten Fortbildung gestärkt werden müssen und einen ebenso großen Anteil wie etwa die praktischen Fähigkeiten zur Gewaltunterbindung einnehmen müssen. Auch die Ausstattung mit notwendiger und auf den Einsatzzweck abgestimmter Schutz- und Einsatzausrüstung gehört zu den Verpflichtungen des Dienstherrn gegenüber den Polizeibeamten. Mindestens genauso wichtig ist ein Blick auf die personelle Struktur der Polizei zu richten, ob personelle Ausstattung und Polizeistruktur so ausgerichtet sind, dass im Falle eskalativer Situationen eine zeitnahe Nachalarmierung weiterer Polizeibeamter und gegebenenfalls auch notwendiger Spezialeinheiten möglich ist, sodass Gefahrenabwehr, Strafverfolgung und Eigensicherung von Polizeibeamten in einem angemessenen Verhältnis stehen. Und nicht zuletzt sei auf die Anwendung bestehender rechtlicher Befugnisse und Strafrechtsnormen verwiesen, ehe nach immer weiteren und tiefergreifenden Verschärfungen im Sicherheits- und Strafrecht gerufen wird.

Beschluss des Landtages

Im Ergebnis der Debatte im Thüringer Landtag hat dieser am 23. Februar 2017 beschlossen, dass in der Landespolizeidirektion Erfurt eine Arbeitsgruppe eingerichtet wird, die die in anderen Bundesländern und international erlangten Erfahrungen beim Einsatz von Körperkameras bei der Polizei untersucht, auswertet und den Innenausschuss bis zum 30. Juni 2017 über die erlangten Ergebnisse informiert. Die von der CDU beantragte Durchführung eines sechsmonatigen Bodycam-Pilotprojektes in Thüringen wurde hingegen abgelehnt. Offen bleibt, wie der Thüringer Innenminister nunmehr mit diesem Diskussionsergebnis umgehen wird.