Scharfe Kritik an sozial- und finanzpolitischer Geisterfahrt der CDU

„Die CDU Thüringen befindet sich auf sozial- und finanzpolitischer Geisterfahrt und lässt sich dabei von einer extrem rechten Partei lotsen“, kommentiert der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag, Steffen Dittes, die heutige Beschlussfassung im Haushalts- und Finanzausschuss. Dieser hat mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD die Absenkung der Grunderwerbssteuer um 1,5 Prozent beschlossen. Abschließend wird nun der Thüringer Landtag in der kommenden Woche über das Gesetz abstimmen.

„Noch in dieser Woche beklagte der CDU-Fraktionsvorsitzende, dass der Haushaltsentwurf der Landesregierung nur mit der vollständigen Auflösung der Rücklagen aufgrund der Inflation, Kostensteigerung und Aufgabenmehrung auszugleichen war, um zwei Tage später ca. 50 Millionen Euro dem Haushalt zu entziehen. Dies wird zur Folge haben, dass gerade im freiwilligen Bereich, bei der Förderung sozialer Infrastruktur, bei Kultur und Umweltschutz oder aber bei gesetzlich nicht festgelegten Zahlungen an die Kommunen Kürzungen drohen. Die CDU erweist dem Land einen Bärendienst für ein politisch billiges und für den Haushalt teures Wahlversprechen.“

Die CDU hat sich zudem im Haushalts- und Finanzausschuss geweigert, Aussagen zur in der Verfassung verankerten Deckungsverpflichtung (Artikel 98 Abs. 3) zu treffen. Auch der Landesrechnungshof hatte den Gesetzentwurf aus haushalterischen und rechtlichen Gründen abgelehnt.

„Die Kürzung der Grunderwerbssteuer ist - anders als behauptet - gerade keine Förderung von Familien, sondern entlastet sämtliche Grundstücks- und Immobiliengeschäfte zulasten des Landeshaushaltes“, unterstreicht Dittes. Grundstückskäufer, Private wie Unternehmen, die unbebaute Baugrundstücke erwerben, würden in Thüringen durchschnittlich (bei 1000 qm á 50 Euro/qm) um 750 Euro entlastet, bei bebauten Grundstücken (500.000 Euro) um 7.500 Euro. Je größer die Kaufsumme, um so höher die Entlastung. „Dies ist weder zielgerichtet noch sozial ausgewogen. Eine zielgerichtete Familienförderung fängt bei denen an, die sich gerade kein Haus leisten können, aber auf funktionierende Kommunen, Kindergärten, soziale Beratungsstellen, Bildungs- und Kulturangebote angewiesen sind und sich Sorgen machen, wie sie die gestiegenen alltäglichen Lebenshaltungskosten noch stemmen können. Die müssen aber nun Kürzungen bei öffentlichen Leistungen durch die Allianz von CDU und FDP mit der AfD befürchten“, so Dittes weiter.

Der Fraktionsvorsitzende erklärt weiter: „Es ist politisch skandalös, dass die CDU neuerlich der extrem rechten AfD den Weg zur Gestaltungsmacht ebnet. Noch vor wenigen Tagen hat der CDU-Bundesvorsitzende, Friedrich Merz, in einem Interview zur Zusammenarbeit mit der AfD gesagt ‚Ein Nein ist ein Nein’ und auch deutlich gemacht, was er darunter versteht, als er sagte: ‚Es gibt in allen Parlamenten in Deutschland … Mehrheiten ohne AfD‘. Die Thüringer CDU schert nun aus dieser politischen Linie der Bundes-CDU nach rechts aus und rechnet die Stimmen der AfD für eine Mehrheit fest mit ein. Und das gerade in dem Land, in dem der Landesverband nochmals am äußersten rechten Rand der AfD zu verorten ist. Die CDU spielt mit der Demokratie für einen populistischen Erfolg, der weder sozial- noch finanzpolitisch verantwortbar ist.“

Hintergrund:

Thüringen nahm im Jahr 2022 286 Mio. Euro mit der Grunderwerbssteuer ein. Für den Haushalt 2024 werden bereits nur 208 Mio. Euro geplant. Eine Senkung um 1,5 Prozent würde zu einer nochmaligen Absenkung der Einnahmen führen, die im Haushalt kompensiert werden müssten.

Zum Vergleich eine unvollständige Übersicht freiwilliger Aufgaben, die u.a. auch aus Einnahmen aus der Grunderwerbssteuer finanziert werden:

  • Arbeitsmarktprogramme 13 Mio. Euro
  • Sprachkitas 8 Mio. Euro
  • Integration von Geflüchteten 13 Mio. Euro
  • Investitionen im Gesundheitswesen 82 Mio. Euro Landesmittel (+56 Mio. vom Bund)
  • Städtebau 100 Mio. Euro Landesmittel (+40 Mio vom Bund, darunter 30 Mio für staatliche Schulen zusätzlich zu den 30 MioSchulinvestpauschale im KFA und weitere 5 Mio für Privatschul-Invest
  • Leistungssteigerung im Tourismus 15 Mio. Euro
  • Leistungssteigerung im Mittelstand 4 Mio. Euro
  • Entwicklung von Industrie- und Gewerbeflächen durch die LEG 19 Mio. Euro

Ein behaupteter Zusammenhang von Grunderwerbsteuer und Wohneigentumsförderung wird durch Wirtschaftsexperten in Abrede gestellt. „Bei einem Vergleich des Anstiegs des Steuersatzes mit dem Wachstum der Wohneigentumsquote seit 2006 zeige sich, dass in den beiden Ländern mit konstanter Steuerquote seit 2006, also Bayern und bis Ende 2022 auch noch Sachsen, die Eigentumsquote im Bundesvergleich nur leicht überdurchschnittlich angestiegen ist. Von den fünf Ländern, die die höchste Anhebung vorgenommen haben – Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Schleswig-Holstein, Thüringen – wiesen in den vergangenen Jahren vier ein höheres Wachstum auf.“ (https://www.haufe.de/immobilien/wirtschaft-politik/grunderwerbsteuer-laender-nehmen-rekordsummen-ein_84342_508990.html)

Sowohl Sachsen als auch Hamburg haben erst in diesem Jahr vor dem Hintergrund der Situation öffentlicher Haushalte die Grunderwerbssteuer auf 5,5 Prozent angehoben.