Ein politische Sachstandsbeschreibung zur Haushaltsaufstellung in Thüringen

Steffen Dittes
Landtag

Im Fokus der Öffentlichkeit liegt das derzeitige Haushaltsaufstellungsverfahren im Thüringer Landtag. Seit 2019 verfügt die Koalitionsregierung aus DIE LINKE, SPD und Grüne über keine Mehrheit im Parlament. Für die Haushaltsjahre 2021 und 2022 haben die Koalitionsfraktionen im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens mit der CDU Änderungen am Haushaltsentwurf der Landesregierung verhandelt und am Ende zu einer Einigung gefunden. Die CDU stimmte nach gemeinsam getragenen Änderungen dem Landeshaushalt jeweils zu.

Für den Haushalt 2023 lehnt die CDU und in deren Schatten auch die FDP Gespräche und Verhandlungen mit den Koalitionsfraktionen ab und verlangt vier Monate nach Vorlage des Haushaltsentwurfes durch die Landesregierung, dass die Landesregierung ihren Entwurf selbst verändert. Im MDR-Interview betonte der CDU-Fraktionsvorsitzende, die CDU habe dafür „klare Vorgaben“ gemacht. Interessant ist hier schon die der Formulierung zu entnehmende irrige Annahme, dass eine Fraktion der Landesregierung Vorgaben machen könne, was diese in einem Haushaltsentwurf, den dem Landtag vorzulegen die Landesregierung verfassungsrechtlich verpflichtet ist, aufzunehmen hat und was nicht. Aber auch der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion spricht von „Bedingungen“ der CDU an den Entwurf der Landesregierung.

Es ist Sache des Parlamentes und der dort erreichbaren parlamentarischen Mehrheiten den Haushaltsentwurf zu bearbeiten, zu verändern und zu beschließen. Wer den Entwurf der Landesregierung für unzureichend und in Teilen geplante Ausgabepositionen für falsch hält und im Ergebnis Veränderungen anstrebt, muss konkret sagen, wie und an welcher Stelle. Und er muss vor allem mit denen reden, mit denen die Veränderungen herbeigeführt werden können.

Die Erwartungshaltung der CDU ist gegenwärtig aber die, dass sie der Landesregierung per Zuruf, Schreiben oder Pressemitteilung diktiert, was die Landesregierung dem Landtag zur Abstimmung vorlegt und dieser offenbar darüber nicht mehr verhandelt. Ein sehr zweifelhaftes Demokratieverständnis.

Zur Chronologie des Haushaltsverfahrens

Frühjahr 2022
Eine Einladung der Landesregierung zur Teilnahme an der Haushaltsklausur des Kabinetts schlägt die CDU aus.

Juli 2022
Die Landesregierung beschließt einen Haushaltsentwurf und leitet ihn in der Sommerpause als Vorlage zu.

September 2022
Der Haushalts- und Finanzausschuss beschließt den Zeitplan zur Haushaltsberatung und sieht Beschlussfassung des Haushaltes in der planmäßigen Dezembersitzung des Landtages vor. Seitdem laufen die parlamentarischen Beratungen planmäßig, die Einzelpläne werden erörtert, kommunalrelevante Änderungsanträge durch die Fraktionen eingereicht, die kommunalen Spitzenverbände angehört.

1. November 2002
Nach insgesamt vier stattgefundenen Vorgesprächen mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden versenden die r2g-Fraktionsvorsitzenden für den 15. November 2022 eine formelle Einladung zu Haushaltsgesprächen an die CDU-Fraktion und die FDP-Gruppe.

15. November 2022
Acht Minuten vor dem Gesprächstermin zwischen r2g, CDU und FDP ging in der TSK eine Mail mit der Bitte um ein Gespräch zwischen der CDU und dem Ministerpräsidenten ein, darin enthalten sind drei aus Sicht der CDU zu erörternde Punkte:
- Fehlende politische Solidität
- Mangelnde Vorsorge in der Krise
- unzureichende Unterstützung der kommunalen Familie
In der Runde der r2g-Fraktionen mit CDU und FDP wurde über die Inhalte der Gesprächsrunde bis auf die Vereinbarung eines Nachfolgetermins in der Folgewoche stillschweigen vereinbart. Für den verabredeten Termin wurden die drei Punkte des Schreibens an den MP als Themen sowie die weitere Zeitplanung und Vorgehensweise zum Haushalt gesetzt.
Es bestand Einigkeit zwischen r2g und CDU darin, dass es im Dezemberplenum zur Abstimmung über den Haushalt kommen soll. Seitens der CDU wurden keine konkreten Vorschläge zum Haushalt 2023 bislang unterbreitet. Die FDP sagte für den 22. November 2022 einen Vorschlag mit konkreten Änderungen zur Absenkung des Haushaltsvolumens zu, der diskutiert werden kann.
Die von den #r2g-Fraktionen vorgeschlagene wechselseitige Übermittlung von in den Fraktionen vorbereiteten Änderungsanträgen zur Vorbereitung der weiteren Gespräche wurde durch die CDU als gegenwärtig nicht notwendig erachtet. Für den 28. November 2022 wurde ein weiterer Verhandlungstermin geblockt. Ob dieser in Anspruch genommen wird, sollte am 22. November entschieden werden.

17. November 2022
Das Gespräch zwischen dem MP, der Finanzministerin und der CDU hat stattgefunden. Die CDU hat ihre Vorschläge kommuniziert und die Landesregierung Prüfungen zur Finanzlage und Bewertung von CDU-Vorschlägen zugesagt. Die Finanzministerin lehnte eine weitere Ergänzungsvorlage der Landesregierung aus verschiedenen Gründen ab.

21. November 2022
Die CDU hat den für den Folgetag vereinbarten Verhandlungstermin zum Haushalt 2023 abgesagt. Man erwarte vor weiteren Gesprächen einen „verbindlichen Vorschlag“ der Landesregierung. Der Hinweis, dass die Finanzministerin sich in dem Termin zu den Vorstellungen der CDU äußern wird und eine Darstellung der Finanzentwicklung vorlegen wird, und auf dieser Grundlage dann die konkreten Rahmendaten für den Haushalt 23 besprochen werden könne, führte zu keiner Änderung der Entscheidung. Man warte auf einen schriftlichen Vorschlag.

22. November 2022
Die Beratung mit der Finanzministerin zur Finanzentwicklung hat ohne CDU und FDP stattgefunden.
Im Kabinett wird über das mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden geführte Gespräch durch Ministerpräsident und Finanzministerin berichtet und über den Umgang mit der Forderung der CDU nach einer Ergänzungsvorlage beraten.Zeitgleich gibt der CDU-Fraktionsvorsitzende ein auf Initiative der CDU-Fraktion entstandenes Interview beim MDR und formuliert die Forderung der CDU, dass die Landesregierung dem Landtag einen mit einer Ergänzungsvorlage geänderten Haushaltsentwurf vorlegt, der die Vorschläge der CDU beinhaltet. Mit den Fraktionen wolle die CDU nicht reden.

23. November 2022
Die Finanzministerin teilt der CDU-Fraktion den erbetenen Sachstand zur Rücklagenentnahme 2022 und zur Rücklagenentwicklung bis 2025 schriftlich mit. Auch der Ministerpräsident wendet sich in einem Schreiben an den CDU-Fraktionsvorsitzenden, verweist auf die nach Vorlage des Entwurfes notwendige Arbeit mit klaren Zahlen und Anträgen im Parlament und sichert jederzeit Unterstützung und Gesprächsbereitschaft der Landesregierung im Haushaltsverfahren zu.
Die Fraktionen DIE LINKEN, SPD und Grüne sprechen daraufhin eine Einladung an CDU und FDP für den 25. November 2022 aus.
Sowohl FDP als auch CDU lehnen ein Gespräch zwischen den Fraktionen ab. Für die FPD erklärt deren Gruppenvorsitzender, dass Gespräche erst dann geführt werden sollen, wenn „Haushaltseinsparungen im Rahmen von ca. 1.000 Mio. Euro vorgelegt“ werden.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende begründete seine Absage damit, dass er das Schreiben der Finanzministerin als nicht ausreichend betrachtet und verlangte vor weiteren Gespräche die Vorlage „belastbarer Vorschläge“.

Vorschläge der CDU?

Die CDU wird nicht müde davon zu sprechen, dass sie „klare Vorgaben“ und „konkrete Vorschläge“ unterbreitet habe. Dies ist durchaus einen genaueren Blick wert.

Für CDU-Vorschläge zu dem seit Juli 22 vorliegenden Haushaltsentwurf gibt es eigentlich nur zwei, aber wenig konkrete Quellen. Zum einen das Schreiben des CDU-Fraktionsvorsitzenden an den Ministerpräsidenten vom 15. November 2022 und das dem MDR gegebene Interview am 22. November 2022. Die Vorschläge darin sind sehr viel weniger konkret als vielleicht anzunehmen. Im Schreiben wird zunächst vorgeschlagen, die Gesamtausgaben an den Einnahmen ohne Rücklagenentnahme zu orientieren. Je nach Lesart heißt das, das Haushaltsvolumen um 671 bis 820 Mio. Euro zu reduzieren und Ausgaben in dieser Höhe zu streichen. Die CDU nimmt hier Bezug darauf, dass das geplante Haushaltsvolumen um 1 Mrd. Euro ansteigt. Darauf, dass dieser Anstieg lediglich 8,3% gegenüber 2022 beträgt und damit unterhalb der Inflationsrate liegt, geht die CDU nicht ein. Es ist unbestritten so, dass ein konstant bleibendes Haushaltsvolumen durch die Preissteigerungen hingegen zu Leistungskürzungen führen würde. Auch geht die CDU nicht darauf ein, auf welchen zusätzlichen Ausgaben vorrangig der geplante Anstieg gründet. Zurückzuführen sind geplante Mehrausgaben gegenüber dem Haushalt 2022 vor allem auf zusätzliche Mittel für Kommunen (155 Mio.), für zusätzliche Investitionen (204 Mio.), für eine zusätzliche Kredittilgung (65 Mio.), für die Umsetzung von Tarifverträgen und einer nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes neu zu gestaltenden verfassungskonformen Beamtenbesoldung (240 Mio.), für notwendige Ausgaben zur Digitalisierung sowie zur Deckung steigender Energiekosten (45 Mio.). Auch erheblich gestiegene Landesmittel für Krankenhäuser sind „verantwortlich“ für den Anstieg des Haushaltsvolumens. Welche konkreten Ausgaben im Haushaltsentwurf durch die Reduzierung des Haushaltsvolumens nun gestrichen werden sollen, darüber schweigt die CDU und unterlässt es, konkrete Vorschläge zu unterbreiten. Alle weiteren bekannten Vorschläge sind zudem ausnahmslos zusätzliche Ausgaben. Da wären die geforderten zusätzlichen Zuführungen aus dem Haushalt an das Sondervermögen in nicht benannter Höhe zu nennen, oder die geforderten Zuführungen an die Landkreise in Höhe von 287 Mio Euro, die aufgrund des Finanzausgleichssystematik weitere 225 Mio. Euro für Gemeinden nach sich ziehen, da wären das geforderte sogenanntes Kleine-Gemeinden-Programm in Höhe von 60 Mio. Euro und die geforderten zusätzlichen Investitionen in Schulen, Infrastruktur und Digitalisierung in nicht benannter Höhe. Hinsichtlich eines zudem bestehenden kommunalen Investitionsbedarfes werden zusätzliche Mittel in Höhe von 330 Millionen Euro genannt.

Zusammengerechnet bedeutet das: die CDU schlägt eine Reduzierung des Haushaltes um 671 bis 820 Mio. Euro vor und will zeitgleich zusätzliche Ausgaben in Höhe von mindestens 902 Mio. Euro plus eine nicht bezifferte Summe für Sondervermögen und Investitionen finanzieren. Das würde bedeuten, dass es nach Ansicht der CDU zu Kürzungen von bislang geplanten Ausgaben und bei zu finanzierenden Aufgaben in Höhe von mindestens 1,5 Mrd. Euro kommen müsste. Das macht wohl deutlich, warum die CDU ihre „Vorschläge“ nicht selbst konkretisiert oder untersetzt. Es macht aber auch deutlich, dass diese „Vorschläge“ haushalterisch wenig seriös sind und auch schon deshalb weder durch die Landesregierung noch parlamentarisch umgesetzt werden können. Sollte die CDU anderer Auffassung sein, könnte sie dies durch die Vorlage wirklich konkreter Vorschläge sehr einfach belegen.

Fake News I

In der öffentlichen Begründung verbreitet die CDU zunehmend Fake News, man könnte ohne die Verwendung des Anglizismus aber auch sagen, sie lügt. Ein Beispiel aus der Pressemitteilung des Parlamentarischen Geschäftsführers der CDU-Fraktion vom 23. November 2022: „Für 2023 soll das Haushaltsvolumen um eine Milliarde anwachsen. Doch in den Kommunen soll von diesem Aufwuchs gar nichts ankommen.“ Dies ist nachweislich falsch, immerhin 155 Millionen Euro sollen den Kommunen davon zusätzlich zufließen. Ein weiteres Beispiel aus der selben Pressemitteilung: „Gleichzeitig habe die Landesregierung seit 2014 im Landesdienst 1600 zusätzliche Stellen geschaffen. ‚Das sind 1600 Stellen mehr Bürokratie für Thüringen‘, so der CDU-Politiker.“ Das auch die Zahl nicht richtig ist, kann hier vernachlässigt werden, denn in der Tat sind es sogar 1.811 Stellen mehr im Haushaltsentwurf für 2023 als im ersten von Rot-Rot-Grün verantworteten Haushalt für 2015. Der eigentliche Vorwurf lautet aber, es seien Stellen für mehr Bürokratie. Tatsache aber ist, dass 1.610 Stellen im Bereich des Thüringer Bildungsministeriums neu geschaffen wurden. Ein Grund hierfür war die Entscheidung im Jahr 2016, den Grundschulhort, der in einem Modellversuch in Teilen kommunalisiert wurde, zurück in Landesverantwortung zu holen.

Mehr als 1.300 Erzieher:innen, die durch das Land durch Zahlungen an die Kommunen finanziert wurden, wurden wieder in den Landesdienst zurückgeholt, wo sie wenige Jahre vorher bereits angestellt waren. Weitere 600 inzwischen zusätzlich Beschäftigte kamen noch hinzu. Im weiteren Stellenaufwuchs im Bereich des Bildungsministeriums sind sicher auch Stellen für die Schulverwaltung, aber die Stellenmehrung war auch deshalb notwendig, um den bis 2014 durch die CDU-Regierung vollzogenen Lehrer- und Stellenabbau notwendigerweise umzukehren. So wurden 2018 insgesamt 600 neue Lehrerstellen geschaffen. Natürlich sind Stellenpläne sehr dynamisch, während in einem Bereich aufgrund sich verändernder Aufgaben Stellen abgebaut werden, werden aufgrund neuer oder komplexerer Aufgaben Stellen in anderen Bereichen neu geschaffen. Das sieht man auch, wenn man die Stellenpläne der Ministerien für sich betrachtet. Hier gibt es auch aufgrund von Strukturveränderungen sehr unterschiedliche Veränderungen in den jeweiligen Stellenplänen, wie beispielsweise auch zuletzt durch die Rückholung des Maßregelvollzugs in Landeshoheit mit 300 neuen Stellen. Tatsächlich wurden also zu Gunsten der Bildung stellen in der Bürokratie abgebaut.

Wichtig ist aber auch zu wissen, dass hier bislang nur über Stellen gesprochen wird, nicht aber immer über Menschen, die arbeiten und bezahlt werden. Die CDU selbst weist immer wieder daraufhin, dass insgesamt 4.500 Stellen unbesetzt sind, also gar keine Kosten verursachen. Dies wird in der Haushaltsaufstellung auch berücksichtigt, da die Personalkosten ausgehend vom IST des Vorjahres geplant werden. So sind in Wirklichkeit im Jahr 2022 über 900 Menschen weniger beim Land angestellt und beschäftigt als das noch im Jahr 2015 der Fall war. Der Streit um die Stellen ist deshalb ein statistischer, aber sehr populistischer. Er längt aber auch von dem eigentlichen Problem ab. Denn für Thüringens Zukunft wird es erheblich sein, auch genug Arbeits- und Fachkräfte in den Schulen, in der Polizei, in der Justiz, in den sozialen Diensten und auch in der Verwaltung in Beschäftigung zu bringen. Der demografische Wandel erfordert ein Werben um junge Menschen aus Thüringen und weit darüber hinaus. Eine Diskussion, dass wir in Thüringen zu viele Stellen hätten, ist da vor allem ein kontraproduktives Signal und so falsch, wie die Behauptung, dass 1.600 Stellen für mehr Bürokratie geschaffen wurden.

Fake News II und weitere Widersprüchlichkeiten

Der CDU-Fraktionsvorsitzende gab am 22. November 2022 dem MDR ein sehr aufschlussreiches Interview. In dem Interview wird – wie bereits ausgeführt und widerlegt – behauptet, dass die CDU „klare Vorgaben“ gemacht hätte, Rot-Rot-Grün „1.600 Stellen in der Bürokratie“ geschaffen habe, „einfach eine Milliarde Euro mehr für Bürokratie“ ausgäbe und 820 Mio. Euro zur Finanzierung von „Versprechungen von R2G“ aus den Rücklagen entnehmen würde.

An einer Stelle behauptet der CDU-Fraktionsvorsitzende: „Weil für mich etwas ganz Simples in der Politik wichtig ist, nämlich Verbindlichkeit.“ Wenig mit Verbindlichkeit zu tun hat möglicherweise die kurzfristige Absage eines gemeinsamen verabredeten Gesprächstermins mit den Koalitionsfraktionen, für den sogar eine Tagesordnung vereinbart wurde. Aber, so behauptet er zumindest, kurzzeitig: „Nein, das stimmt doch gar nicht. Ich weiß nicht, was Ihnen die Rot-Rot-Grünen immer erzählen.“ Auf den Hinweis des Moderators, dass das ja wohl nicht stimme und er den Termin doch absagte, räumte er dann ein: „Ja, weil ich nichts konkret in der Hand habe.“ Auch das ist wohl eher falsch, denn seit Juli 2022 liegt der Haushaltsentwurf vor, über den und über notwendige Änderungen zu reden die CDU mit Schreiben vom 1. November 2022 durch die Koalitionsfraktionen eingeladen wurde. Aber daran erinnert sich der Fraktionsvorsitzende nicht so genau, wenn er meint, dass es die CDU war, die sich „an die anderen Fraktionen gewendet“ habe. Kleine lässliche Ungenauigkeit, die wohl Gesprächsbereitschaft signalisieren soll.

Schwieriger zu durchschauen wird es, wenn offene Widersprüche im Laufe des Interviews zu Tage treten. So etwa bei den Kommunalfinanzen. An einer Stelle weist der CDU-Politiker daraufhin, dass bei den Kommunen Mehrkosten entstehen werden und nennt als erstes „das Thema Flüchtlinge“. Wenige Minuten später korrigiert er sich angesprochen auf die unklare Kostenentwicklung bei Flüchtlingen mit den Worten „Ich glaube, es gibt ein Missverständnis. Das eine sind die Kosten für die Flüchtlinge.“ und verweist darauf, dass die Kommunen hier eine Erstattung durch die Weiterleitung von Bundesmitteln erfahren. Das ist natürlich gut, habe aber natürlich die CDU durchgesetzt. „Die Frage, die die Kommunen belastet, ist momentan was ganz Simples: Wenn eine Schule beheizt wird, wenn ein Kindergarten beheizt wird, die Frage der Straßenbeleuchtungen – das sind ja alles gestiegene Kosten, die jetzt stattfinden.“ Und weiter: „All das sind gestiegene Kosten und diese Kosten haben die Kommunen und Landkreise kalkuliert.“ Aber genau für diese Kostensteigerungen gibt es seit dem 14. Oktober 2022 ein Sondervermögen zur Bewältigung der Energiekrise, in dem Zuschüsse durch gestiegene Kosten für Bildungseinrichtungen wie Schulen und Kindergärten – übrigens gegen den anfänglichen Widerstand der CDU – enthalten und im Wirtschaftsplan abgebildet sind.

Ach ja, das Sondervermögen, natürlich eine Initiative der CDU. Der Gesetzentwurf der CDU ist in der Parlamentsdokumentation auch zu finden. Er hat die Drucksachennummer 7/6353 und stammt vom 21. September 2022. Es ist allerdings auch das Dokument mit der Drucksachennummer 7/6298 zu finden. Es stammt vom 14. September 2022 und ist der Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, SPD und Grüne zur Schaffung des Sondervermögens zur Bewältigung der Energiepreiskrise. Die CDU reklamiert das Sondervermögen für sich, geschenkt. Aber wenn an der einen Stelle das Sondervermögen in Höhe von 407 Mio. Euro, mit dem „Handwerk, Mittelstand, kommunale Unternehmen, Stadtwerke und Kliniken unterstützt werden“, als eigener Erfolg gelobt wird, an anderer Stelle aber behauptet wird, dass „die Belastungen für Kommunen und für Familien und Wirtschaft … nicht adäquat angegangen“ werden, darf zumindest einmal nachgefragt werden.

Es ist ja richtig festzustellen, dass es gegenwärtig „gestiegene Energiekosten, gestiegene Baukosten [gibt], d.h. wir haben massive Belastungen, vor allen Dingen in den kommunalen Haushalten aber auch auf Landesebene“. Aber dass diese Belastungen auf kommunaler Ebene als Mehrbedarf anerkannt werden sollen, während auf Landesebene die CDU schlussfolgert, dass Ausgaben um mehrere hundert Millionen reduziert werden müssen, ist wenig nachvollziehbar.

Eigenwilliges Demokratieverständnis

Der CDU-Fraktionsvorsitzende versucht den Eindruck eines seriösen und konstruktiven Politikers zu wecken: „Ich als Opposition kann es mir eigentlich ganz leicht machen, ich kann einfach nur kritisieren, aber das ist nicht mein Anspruch. Wir sind eine konstruktive Opposition.“ Konstruktiv bedeutet, den sinnvollen Aufbau fördernd und entwickelnd. Verbunden mit konstruktiver Politik sollte die Formulierung eigener Vorschläge, die zu diskutieren zu Entscheidungen und zur Einleitung von verändernden Prozessen führt, erwartbar sein. Ganze drei Posten konnte der CDU-Fraktionsvorsitzende im MDR Interview nennen, die er gerne gekürzt sehen würde. Doch wirklich ernsthafte und seriöse Deckungsvorschläge können das auch nicht sein. Ein nach eigenem Empfinden nennenswerter Dorn im Auge der CDU ist das Programm zur Ansiedlung der Mopsfledermaus. Immerhin 331.188 Euro finden sich hier im Haushaltsentwurf der Landesregierung. Allerdings sind davon lediglich 30.726 Euro Mittel des Landes, den Rest übernimmt der Bund. Dass der CDU-Fraktionsvorsitzende Einsparungen in Höhe von 30.726 Euro als einen Schwerpunkt seiner Haushaltspolitik in thüringenweite Fernsehen trägt, ist seine Entscheidung. Aber als haushaltspolitisch konstruktiv kann dieser Vorschlag nicht wirklich gelten. Unter Konstruktivität, und in dem Fall kommt hier auch ein sehr eigenwilliges Demokratieverständnis zum Parlamentarismus zum Ausdruck, versteht die CDU in Thüringen im Zusammenhang mit dem Haushaltsverfahren derzeit aber etwas anderes: „Und das fordere ich jetzt auch von der Landesregierung, nämlich, dass sie eine Ergänzungsvorlage mit den Erfordernissen, die die CDU-Fraktion sieht, auf den Tisch legt.“, „Und jetzt möchte ich, dass diese Landesregierung eine Form von Verbindlichkeit herstellt, indem sie schriftlich vorlegt, dass sie es so ändert, dass es am Ende auch beschlossen werden kann bzw. dass der Landeshaushalt passiert.“ Ein im Parlament mehrheitsfähiger Haushalt soll also nicht im Parlament unter den Parlamentariern auf der Grundlage des Entwurfes der Landesregierung ausgehandelt werden, sondern nach Ansicht der CDU, legt die Landesregierung dem Parlament solange einen Entwurf eines Haushaltes vor, bis dieser durch die CDU als akzeptabel betrachtet wird, sodass er dann auch beschlossen werden kann. Lange Verhandlungen im Parlament, auf die – das hat die CDU bereits deutlich formuliert – man ohnehin keine Lust habe, könne man sich dann sparen.

 

Wie geht es weiter?

Die Fraktionen von LINKE, SPD und Grüne haben sich verabredet, als Koalitionsfraktionen nicht ihrerseits den im Landtag verabredeten und beschlossenen Zeitplan zur Verabschiedung des Haushaltes an der Verweigerungshaltung von CDU und FDP scheitern zu lassen. So werden zum 01. Dezember 2022 die Änderungsanträge zum Haushalt eingereicht, damit der Haushalts- und Finanzausschuss wie geplant am 8. Dezember 2022 zu Änderungsanträgen und dem Entwurf seine Entscheidungen treffen kann. Somit liegt neben dem konkreten Entwurf der Landesregierung für den Haushalt 2023 ein weiterer sehr konkreter Vorschlag der Koalitionsfraktion zur Änderung auf dem Tisch, zu dem sich die CDU positionieren muss.

Mit den Änderungsanträgen möchte die Koalition Bildungsangebote in Thüringen stärken, Sozialleistungen und Beratungsstrukturen ausbauen, die Öffentliche Sicherheit sichern und in den Klimaschutz investieren. Mit 69 Änderungsanträgen sollen Veränderungen in den Einzelplänen in Höhe von 18,6 Mio. Euro vorgenommen werden, wobei notwendige Mehrausgaben innerhalb der Einzelpläne gedeckt werden. Mit weiteren aus Steuermehreinnahmen entsprechend der aktuellsten Steuerschätzung finanzierten 26 Änderungsanträgen werden zusätzliche Mittel in Höhe von 70 Mio. Euro eingesetzt, darunter auch für die Gegenfinanzierung der vom Bund nur teilweise finanzierten Mittel für das 49-Euro-Ticket oder zur Steigerung des Wohngeldes.

Die Koalitionsfraktionen wollen dauerhaft unbesetzte Stellen so umsetzen, dass sie an anderer Stelle eine hochwertige Aufgabenerfüllung ermöglichen, so beispielsweise zur Stärkung der Öffentlichen Sicherheit im Landeskriminalamt und in der Polizeifachschule. Die Attraktivität der Polizeiausbildung soll durch Zahlung einer Anwärtersonderzahlung gerade im Vergleich mit anderen Bundesländern erhöht werden. Weiter soll der Katastrophenschutz in Thüringen weiter gestärkt werden und digitale Angebote in der Feuerwehr für wohnortnahe Aus- und Fortbildung ausgebaut werden. Zusätzliche Mittel für die Praxisintegrierte Ausbildung von Erzieher:innen in den Kinderkrippen und Kindergärten sollen dafür mit Sorge tragen, dass auch künftig ausreichend Fachkräfte in den Bildungseinrichtungen vor der Schule zur Verfügung stehen. Die Finanzierung der Sprach-Kitas, aus der der Bund 2023 aussteigen wird, soll fortgesetzt werden, so dass an 282 Sprachkindergärten in Thüringen die in Teilen finanzierten Fachkräfte weiter bestehen bleiben, ebenso wie die 21 Fachberater in Thüringen. Medienvielfalt, Sportstätten, Demokratiebildung, Gute Arbeit, Ehrenamt, Familienerholung und Abwasserentsorgung sind weitere Themen, die eine Stärkung mit den Änderungsanträgen der Fraktionen DIE LINKEN, SPD und Grüne erfahren sollen. Und schließlich sollen auch die Empfänger:innen des Landessinnesbehindertengeld durch eine Anhebung um 72 Euro auf 472 Euro entlastet werden und die Höhe wenigstens auf den Bundesdurchschnitt angehoben werden.

Es liegt nun an der CDU und der FDP, ob über diese und auch andere Vorschläge beraten werden kann.
Eigentlich ist es ganz simpel: Wenn der Landtag einen Gesetzentwurf vorgelegt bekommt, dann haben die Parlamentarier:innen drei Möglichkeiten. Erstens, sie können das Gesetz beschließen. Zweitens, sie können den Gesetzentwurf beraten, verändern und dann beschließen. Oder drittens, sie können das Gesetz ablehnen. Es aber nicht zu beraten, wie CDU und FDP es derzeit als politische Strategie auserkoren haben, ist verantwortungslos und eine Kampfansage an die Thüringer:innen, an die Kommunen, an die Unternehmen und den Mittelstand, an Vereine und Verbände und die tausenden hauptamtlichen und ehrenamtlich Aktiven, die sich jeden Tag für das gesellschaftliche Miteinander engagieren.