Verbrechensvorhersage mit „Predictive Policing“ oder Ausbau des Überwachungsstaates?

Eine Software, die voraussagt, wo und wann ein Verbrecher zuschlägt. Was nach einem Science-Fiction-Szenario im Stil von MINORITY REPORT klingt, ist in Städten, wie Chicago, London oder München längst Realität. Und ob wir vermeintlich gefährlich sind oder nicht, wird schon heute in einigen Ländern von Polizeicomputern entschieden. Predictive Policing nennt sich die Methode. Big Data dient dabei als Quelle, die wir selbst kontinuierlich mit persönlichen Informationen befüllen. Da, wo der Film CITIZENFOUR aufhört, geht PRE-CRIME einen Schritt weiter und stellt brennende Fragen unserer Zeit: Wieviel Freiheit sind wir bereit aufzugeben für das Versprechen absoluter Sicherheit? Und können wir uns auf das Urteil von Computern und Algorithmen wirklich verlassen?

Eine Software, die voraussagt, wo und wann ein Verbrecher zuschlägt. Was nach einem Science-Fiction-Szenario im Stil von MINORITY REPORT klingt, ist in Städten, wie Chicago, London oder München längst Realität. Und ob wir vermeintlich gefährlich sind oder nicht, wird schon heute in einigen Ländern von Polizeicomputern entschieden. Predictive Policing nennt sich die Methode. Big Data dient dabei als Quelle, die wir selbst kontinuierlich mit persönlichen Informationen befüllen. Da, wo der Film CITIZENFOUR aufhört, geht PRE-CRIME einen Schritt weiter und stellt brennende Fragen unserer Zeit: Wieviel Freiheit sind wir bereit aufzugeben für das Versprechen absoluter Sicherheit? Und können wir uns auf das Urteil von Computern und Algorithmen wirklich verlassen?

Die Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag lud am 27. Juni 2018 zur Filmvorführung nach Weimar und präsentierte den 2017 erschienenen Film „Pre-Crime“ von Matthias Heeder und Monika Hielscher. In anderthalb Stunden stellten sie faszinierend und furchterregend zugleich die neuen technischen Möglichkeiten und deren Auswirkungen mehreren Dutzend Besuchern im Weimarer Lichthauskino vor, wie auf Basis bestimmter Muster mutmaßliche Orte vorhergesagt werden, bei denen sich Straftaten wie Wohnungseinbruchsdiebstahl ereignen könnten oder Menschen anhand geheimer Algorithmen als gefährliche Personen markiert würden, von denen Straftaten zu erwarten seien. Der Film reist um die halbe Welt und stellt Menschen vor, die täglich mit dieser Technologie arbeiten und sie weiterentwickeln, aber auch Menschen, die zu den Opfern dieser Technologie wurden. Er zeigt auch, dass Zukunft uns längst eingeholt hat und utopische Kontrollszenarien immer mehr in unser Leben eindringen. Seit 2012 hört beispielsweise die Polizei in Chicago auf eine durch geheime Algorithmen generierte Liste, auf der Menschen stehen die – so die Behauptung – am ehesten mit Gewalt in Kontakt kommen, egal ob als Täter oder als Opfer, wobei die Personen gar nicht selbst in gewalttätig sein müssen: Der Konsum von Mariuhana, Kontaktpersonen im Freundeskreis, Glückspiel oder eine falsche Adresse reichen aus. Die Konsequenzen für die Betroffenen sind dabei erheblich und reichen von verstärkten Kontrollen, Hausbesuchen und Gefährderansprachen, Stigmatisierung und Vorurteile im Wohnviertel. Soziale Netzwerke werden gescannt und den  Menschen auch schriftlich vermittelt, sie stünden unter permanenter Beobachtung. Im anschließenden Podiumsgespräch diskutierten Regisseur Matthias Heeder, Polizeidirektor Hans Peter Goltz aus dem Thüringer Innenministerium und der LINKE-Innenpolitiker Steffen Dittes unter Moderation von Journalistin Jennifer Stange die Polizeiarbeit der Zukunft, die Methode des Predictive Policing und den aktuellen Ausbau an Eingriffsbefugnissen der Polizeiaufgabengesetze anderer Länder. Regisseur Heeder verwies auf eine Untersuchung des Max Planck Institutes zur Lightvariante Predicitve Policing ohne personenbezogene Daten mittels eines Pilotversuch in Baden-Württemberg, die zeigte "dass kriminalitätsmindernde Effekte Predictive Policing (...) wahrscheinlich nur in einem moderaten Bereich liegen und allein durch dieses Instrument die Fallzahlen nicht deutlich reduziert werden können" und kritisierte die fehlende Transparenz beim Umgang solcher Software mit personenbezogenen Daten in anderen Ländern wie den USA, fehlende Rechtsgrundlagen und dass es keinerlei Verfahren gebe, wie Personen die auf der Liste landen, warum sie dort stehen und wie sie wieder runter gelangen. Polizeidirektor Goltz bekräftigte, dass die Polizei in dem was sie tue, transparent sein müsse und personengebundene Daten nicht ohne Anlass präventiv erhoben werden dürften. Software könne keine Polizisten mit ihrem Erfahrungsschatz ersetzen und sei auch nicht frei von Fehlern.

Das machte auch der Film deutlich, der das Beispiel einer Frau anführte, die auf Twitter das Wort „Rage“ (Wut) benutzt haben soll. Sie wurde durch die Software als Gefahr markiert, obwohl ihre Tweets nur von dem Kartenspiel namens "Rage" gedreht handelten. Goltz kritisierte die Geheimniskrämerei, Algorithmen müssen, sofern sie denn verwendet werden, durchschaubar sein. Predictive Policing werde nicht in Thüringen verwendet. Er warb dafür, Lösungen zu finden, wie bestimmte bereits erhobene Daten durch die Polizei zur Verbrechensbekämpfung genutzt werden können und hofft zugleich, dass das Bundesverfassungsgericht, dass sich in der Vergangenheit als korrektiv gegen rechtswidrige Gesetzgebung erwies, „sein Standing behält“. Steffen Dittes übte Kritik am derzeit stattfindenden Grundrechteabbau anderer Länder wie in Bayern durch unverhältnismäßige Befugnisse. Er bemängelt, dass für bestimmte nachrichtendienstlich-ähnliche Befugnisse auf Seiten der Polizei anders als beim Verfassungsschutz keine Kontrolle wie z.B. durch einen Ausschuss oder eine Kommission vorgesehen sind. Dittes rief dazu auf, noch stärker eine Debatte über den Sinn und Zweck von Eingriffsbefugnissen zu führen und die Freiheitsrechte aller Bürger stärker in die Abwägungsprozesse einzubeziehen.