Wahlkampf ohne Partei? - Eine Einladung zur Diskussion

Immer häufiger sieht man im Wahlkampf Kandidatinnen und Kandidaten auf Plakaten, die neben dem Namen, dem Portrait und einigen überraschungsfreien und mit jeder und jedem anschlussfähigen Slogans keinen Hinweis enthalten, der auf eine Parteimitgliedschaft schließen lässt. Was für einen tatsächlich parteilosen Bewerber nachvollziehbar ist, wirft bei denen, die von einer Partei aufgestellt und deren Wahlkampf von dieser Partei finanziert wird, zumindest Fragen auf.

Plakate mit oder ohne Logo?

Immer häufiger sieht man im Wahlkampf Kandidatinnen und Kandidaten auf Plakaten, die neben dem Namen, dem Portrait und einigen überraschungsfreien und mit jeder und jedem anschlussfähigen Slogans keinen Hinweis enthalten, der auf eine Parteimitgliedschaft schließen lässt. Was für einen tatsächlich parteilosen Bewerber nachvollziehbar ist, wirft bei denen, die von einer Partei aufgestellt und deren Wahlkampf von dieser Partei finanziert wird, zumindest Fragen auf. Auch Kandidaten der LINKEN monierten, dass bei den von der Landespartei vorgeschlagenen Plakaten das Logo mit auf die Plakate und andere Wahlwerbemittel sollte, mindestens aber war es einigen Kandidaten zu groß. Einige Kandidaten ließen Werbemittel auf eigene Kosten herstellen, die nicht einmal mehr im Erscheinungsbild an die Partei DIE LINKE erinnerten. Die Begründung hierfür war immer dieselbe: bei der Wahl für die Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte handele es sich schließlich um Personenwahlen. Mit anderen Worten, es ist nach Auffassung der Kandidaten also eher hinderlich, wenn sie selbst zu stark mit einer Partei identifiziert werden würden. Eine solche Position erscheint – vollkommen unabhängig von einem tatsächlich (und aus welchen Gründen auch immer) erreichten Wahlergebnis - in mehrfacher Hinsicht problematisch und politisch gefährlich.

Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Zunächst stellt sich die Frage der Glaubwürdigkeit der Kandidaten, insbesondere derer, die seit vielen Jahren als Parteipolitiker bekannt sind. Denn die Wähler werden sich fragen, ob die Partei den Kandidaten nicht mehr stützt oder dieser sich selbst bereits von der Partei distanziert hat. Sollte dies aber nicht erkennbar sein, kann schnell der (ja nicht falsche) Eindruck entstehen, dass hier der Wähler eher getäuscht werden soll. In jedem Fall keine Stärkung der Glaubwürdigkeit des Kandidaten.

Verzicht auf die Marke

Auch wahlwerberisch kann ein Verzicht auf die Parteizugehörigkeit einen inhaltlichen Aussageverlust zur Folge haben. So steht beispielsweise die Marke DIE LINKE für ein Image und politische Kompetenzen, die die Partei von anderen unterscheidet. Wenn Menschen das Logo der LINKEN sehen, werden die Themen soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Frieden und Antifaschismus mittransportiert. Wer auf unser Logo verzichtet, verzichtet auf diese Botschaften. Auch wird verkannt, dass es auch bei Personenwahlen Menschen gibt, den der Kandidat als Individuum mehr oder weniger egal ist. Wähler haben das Vertrauen in eine Partei, den für das Amt optimalen Kandidaten ausgewählt zu haben, und der Kandidat erhält die Zustimmung, weil dieser eine Partei repräsentiert und somit auch Träger deren grundsätzlicher politischer Ziele ist. Der Wähler kann nämlich einordnen, dass egal um welche Entscheidung es geht, der Wertemaßstab und die Entscheidungskriterien sich immer an denen eines linken Politikansatzes orientieren werden. Für diese Menschen geht ein Wahlmotiv verloren, wenn der Kandidat im Wahlkampf suggeriert, dass seine grundsätzliche gesellschaftspolitische Verortung nicht nur nicht zur Wahl steht, sondern auch nicht mehr dem Rahmen der angestrebten Amtsausübung entspricht. Der Kandidat erleidet insofern auch einen Vertrauensverlust bei solchen Wählern, die nicht gute Einzelentscheidung erwarten, sondern Konsistenz in allen Entscheidungen.

Amt allein ist wertlos für die Partei

Auch aus Sicht der unterstützenden Partei muss die Frage erlaubt sein, welchen politischen Mehrwert ein politischer Erfolg hat, der nicht mit der Partei verbunden ist. Insbesondere dann, wenn der Wahlkampf nicht dazu genutzt wurde, auch durch die Präsenz von Personen und Inhalten der Partei eine gesellschaftspolitische Debatte zur Veränderung oder Gestaltung der Gesellschaft zu führen. Es bleibt der Eindruck zurück, es geht letztlich nur um das zu erreichende Amt für einen Kandidaten. Das allein besitzt aber keinen politischen Wert für eine Partei, wenn es gerade nicht mit anderen programmatischen Zielen verbunden ist.

Delegitimierung des gesamten politischen Systems droht

Nun aber zu dem gewichtigsten, weil demokratietheoretischem und weniger am Wahlergebnis orientiertem Argument gegen den Verzicht auf das Parteilogo: die Legitimationskrise der politischen Parteien selbst. Denn die erfährt durch exponierte und privilegierte Vertreter der politischen Parteien, den Kandidaten, eine Verstärkung. Denn sie bestätigen, dass eine politische Partei irgendwie etwas an sich hat, dessen man sich durch den Verzicht auf das Logo in der öffentlichen Kommunikation entledigen müsse, um ... ja, was eigentlich ... glaubhaft, ehrlich, nicht korrupt zu erscheinen? Also all das nicht zu sein, was Menschen mittlerweile von Parteien und in der Konsequenz auch vom politischen System im Sinne stereotyper Vorurteile meinen. Anstatt Wahlen als Werbung für die repräsentative Demokratie, für demokratische Mitwirkung durch Wahlen und für die politische Meinungsbildung und Entscheidungsfindung mithilfe weltanschaulicher Parteien zu nutzen, werden diejenigen gestärkt, die an der Delegitimierung des gesamten politischen Systems arbeiten. Natürlich ist die repräsentative Demokratie mit Fehlern, mit Schwächen behaftet, zwingend zu ergänzen durch die direkte Demokratie und eine stärkere Berücksichtigung von Expertenmeinungen. Aber diejenigen die das Parteiensystem gegenwärtig überwinden wollen (gemeint sind nicht die, die sich derzeit kaum wahrnehmbar auf die Suche nach Alternativen im Sinne einer emanzipativen und basisdemokratischen Gesellschaft begeben), benennen keine adäquat demokratische Alternative, ihr Ziel ist Destabilisierung und Delegitimierung. Denen müssen Parteien entgegentreten und die repräsentative Demokratie verteidigen, auch als Basis für eine demokratische Weiterentwicklung der Gesellschaft.

Selbstbewusst als Partei auftreten

Dazu gehört auch, dass Parteien mit dem Selbstbewusstsein einer politischen Partei auftreten und sagen, welchen Wert eine Organisation für gesellschaftspolitische Prozesse hat, die sich mit einem einheitlichen Wertesystem im Rücken an die Herausforderungen der Gegenwart und nahen Zukunft machen will und für dieses wirbt. Und wir als DIE LINKE müssen dafür werben, dass das Wertesystem einer linken, sozialistischen Partei die Voraussetzungen dafür bietet, dass auf kommunaler, Landes- und Bundesebene Entscheidungen getroffen werden, die dem Ziel einer Gesellschaft gerecht werden, „in der kein Kind in Armut aufwachsen muss, in der alle Menschen selbstbestimmt in Frieden, Würde und sozialer Sicherheit leben und die gesellschaftlichen Verhältnisse demokratisch gestalten können“. Dies gelingt aber nicht dadurch, dass wir den Menschen nicht mehr sagen, woher wir kommen und wohin wir wollen.